Bei einer Auslandsreise kann der Verbraucher den Reiseveranstalter nach der Brüssel-Ia-VO vor dem Gericht des Ortes, an dem er seinen Wohnsitz hat, verklagen – und zwar auch dann, wenn beide im selben Mitgliedstaat ansässig sind. Laut EuGH liegt der erforderliche Auslandsbezug vor.
Ein Verbraucher aus Nürnberg buchte bei der FTI Touristik GmbH, einem Reiseveranstalter mit Sitz in München, eine Auslandsreise. Er meint, über die Einreisebestimmungen und die erforderlichen Visa nicht ausreichend aufgeklärt worden zu sein. Deswegen verklagte er die FTI Touristik beim AG Nürnberg auf Schadensersatz.
Aber ist das AG Nürnberg überhaupt zuständig? Die FTI Touristik GmbH meint nein: Die Brüssel-Ia-VO erlaube zwar die Klage am Wohnort des Verbrauchers. Die dortige Regelung über die gerichtliche Zuständigkeit sei aber in Fällen, in denen Reisender und Reiseveranstalter in ein und demselben Mitgliedstaat ansässig seien, nicht anwendbar.
Der EuGH hält das AG Nürnberg hingegen für zuständig (Urteil vom 29.07.2024 – C-774/22). Aufgrund des ausländischen Reisziels des Verbrauchers bestehe ein Auslandsbezug, der für die Anwendbarkeit der Brüssel-Ia-VO genüge. Diese bestimme bei Klagen des Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit. Sie lege unmittelbar fest, dass das Gerichts des Ortes zuständig ist, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Dadurch sei gewährleistet, dass die schwächere Partei – der Verbraucher – die stärkere vor einem für sie leicht erreichbaren Gericht verklagen kann (Urt. v. 29.7.2024 - C-774/22).
Aus der Datenbank beck-online
EuGH, Generalanwalt beim Schlussantrag nach internationaler Zuständigkeit bei unechtem Inlandsfall, ReiseRFD 2024, 165
AG Nürnberg, Vorlagefrage zur örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts bei sog. "unechten Inlandsfällen", BeckRS 2022, 38151