Verf­GH Bay­ern: "Aus­lands­bay­ern" dür­fen vom pas­si­ven Wahl­recht aus­ge­schlos­sen wer­den

"Aus­lands­bay­ern" ohne Wohn­sitz oder ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halt seit drei Mo­na­ten in Bay­ern dür­fen vom pas­si­ven Wahl­recht zum Land­tag aus­ge­schlos­sen wer­den. Dies hat der Baye­ri­sche Ver­fas­sungs­ge­richts­hof am 09.10.2018 ent­schie­den. Die ent­spre­chen­de Orts­bin­dungs­re­ge­lung im Lan­des­wahl­ge­setz sei mit der Baye­ri­schen Ver­fas­sung ver­ein­bar (Az.: Vf. 1-VII-17).

An­trag­stel­ler rügte Aus­schluss vom pas­si­ven Wahl­recht für "Aus­lands­bay­ern"

Der An­trag­stel­ler ist in Bay­ern ge­bo­ren und lebt in der Schweiz. Er wen­de­te sich gegen Art. 22 Satz 1 in Ver­bin­dung mit Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 des Lan­des­wahl­ge­set­zes (LWG), wo­nach die Kan­di­da­tur für die Wah­len zum Land­tag eine Woh­nung oder einen ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halt in Bay­ern seit min­des­tens drei Mo­na­ten vor­aus­setzt. Er sah da­durch die ver­fas­sungs­mä­ßig ge­währ­leis­te­ten Rech­te der All­ge­mein­heit der Wahl (Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Baye­ri­schen Ver­fas­sung, BV) und auf Teil­ha­be an der Staats­ge­walt durch Teil­nah­me an Wah­len (Art. 7 Abs. 2 BV) ver­letzt. Au­ßer­dem mein­te er, der Ge­setz­ge­ber sei ver­pflich­tet, ein Aus­füh­rungs­ge­setz über die baye­ri­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit zu er­las­sen, um die Wähl­bar­keit baye­ri­scher Staats­an­ge­hö­ri­ger ohne Wohn­sitz in Bay­ern zu er­mög­li­chen.

Verf­GH: Kein An­spruch auf Er­lass eines Ge­set­zes über die baye­ri­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit

Der Verf­GH hat die Po­pu­lar­k­la­ge als un­zu­läs­sig ab­ge­wie­sen. Der ein­zel­ne Bür­ger habe kein sub­jek­ti­ves, mit der Po­pu­lar­k­la­ge ein­klag­ba­res Recht dar­auf, dass der Land­tag ein Ge­setz über die baye­ri­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit er­lässt. Zwar habe Art. 6 BV die baye­ri­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit als In­sti­tu­ti­on wie­der ein­ge­führt. Al­ler­dings sei Art. 6 BV, der auf­grund der in Art. 116 Abs. 1 Grund­ge­setz ge­trof­fe­nen Re­ge­lung über die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit seine prak­ti­sche Be­deu­tung ein­ge­bü­ßt habe, für sich al­lein nicht voll­zieh­bar, son­dern be­dür­fe der Er­gän­zung durch das in Art. 6 Abs. 3 BV vor­ge­se­he­ne Ge­setz. Die Baye­ri­sche Ver­fas­sung ge­wäh­re je­doch kein sub­jek­ti­ves Recht auf den Be­sitz und die Be­stä­ti­gung der baye­ri­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit.

Lan­des­staats­an­ge­hö­rig­keits­ge­setz würde "Aus­lands­bay­ern" auch kein Wahl­recht ver­mit­teln

Aus den Aus­füh­run­gen des An­trag­stel­lers er­gä­ben sich keine neuen Ge­sichts­punk­te. Ins­be­son­de­re würde ein sol­ches Ge­setz baye­ri­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen, die au­ßer­halb Bay­erns wohn­ten oder sich dort ge­wöhn­lich auf­hiel­ten, weder ein ak­ti­ves noch ein pas­si­ves Wahl­recht ver­mit­teln.

Art. 7 Abs. 3 BV gilt für ak­ti­ves und pas­si­ves Wahl­recht

Wei­ter führt der Verf­GH aus, dass sich ein pas­si­ves Wahl­recht po­ten­zi­el­ler Kan­di­da­ten mit Wohn­sitz au­ßer­halb Bay­erns für die Wah­len zum Land­tag nicht dar­aus er­ge­be, dass nach Art. 14 Abs. 2 BV jeder wahl­fä­hi­ge Staats­bür­ger wähl­bar ist, der das 18. Le­bens­jahr voll­endet habe. Der Be­griff "wahl­fä­hig" knüp­fe an die Wahl­be­rech­ti­gung, also an das ak­ti­ve Wahl­recht (Art. 7 Abs. 2 BV) an. Gemäß Art. 7 Abs. 3 BV, der so­wohl für das ak­ti­ve als auch für das pas­si­ve Wahl­recht gelte, könne die Aus­übung der staats­bür­ger­li­chen Rech­te von der Dauer eines Auf­ent­halts bis zu einem Jahr ab­hän­gig ge­macht wer­den.

Orts­bin­dungs­re­ge­lung mit Baye­ri­scher Ver­fas­sung ver­ein­bar

Laut Verf­GH hat der An­trag­stel­ler auch nicht hin­rei­chend dar­ge­legt, dass die Re­ge­lung über die Orts­bin­dung als Wähl­bar­keits­vor­aus­set­zung ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Rech­te ver­let­zen würde. Die LWG-Re­ge­lun­gen, die das ak­ti­ve und pas­si­ve Wahl­recht an eine (Haupt-)Woh­nung oder an einen ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halt in Bay­ern seit min­des­tens drei Mo­na­ten knüpf­ten, stün­den of­fen­sicht­lich mit der Baye­ri­schen Ver­fas­sung in Ein­klang. Der Ge­setz­ge­ber ver­fü­ge hin­sicht­lich der Vor­aus­set­zun­gen für die Wahl­be­rech­ti­gung über einen Er­mes­sens­spiel­raum, der nur durch die Wahl­rechts­nor­men der Ver­fas­sung, das Will­kür­ver­bot und ein­schlä­gi­ges Bun­des­recht be­grenzt werde. Den Aus­füh­run­gen des An­trag­stel­lers sei nicht zu ent­neh­men, dass der Ge­setz­ge­ber die­sen Er­mes­sens­spiel­raum über­schrit­ten hat.

Aus­schluss von Stim­men­un­gleich­ge­wich­ten und Mehr­fach­wahl er­for­der­lich

Art. 7 Abs. 3 BV und das auf sei­ner Grund­la­ge er­las­se­ne Woh­nungs- oder Auf­ent­halts­er­for­der­nis lie­ßen den Ge­dan­ken der Sess­haf­tig­keit zum Zuge kom­men und wi­der­sprä­chen nicht dem in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV ver­an­ker­ten Grund­satz der All­ge­mein­heit der Wahl. Laut Verf­GH könn­ten ohne die­ses Er­for­der­nis in Bay­ern wahl­be­rech­tig­te Staats­bür­ger, die nicht im Aus­land, son­dern in einem an­de­ren Bun­des­land leb­ten, ihre Stim­me bei Land­tags­wah­len in meh­re­ren Bun­des­län­dern ab­ge­ben. Hier­durch könn­ten sie im Ver­gleich zu Per­so­nen, die le­dig­lich in einem Bun­des­land stimm­be­rech­tigt seien, mehr Ein­fluss auf die Zu­sam­men­set­zung des Bun­des­ra­tes und der Bun­des­ver­samm­lung sowie auf die Wahl von Bun­des­rich­tern neh­men. Glei­ches gelte für ein pas­si­ves Wahl­recht in meh­re­ren Bun­des­län­dern, das eine Mehr­fach­mit­glied­schaft in ver­schie­de­nen Län­der­par­la­men­ten zur Folge haben könn­te, so der Verf­GH wei­ter. Des­halb müss­ten Stim­men­un­gleich­ge­wich­te und eine Mehr­fach­wahl durch Re­ge­lun­gen aus­ge­schlos­sen wer­den, die eine Wahl grund­sätz­lich nur in einem Bun­des­land zu­las­sen. Hier­zu sei das in Art. 7 Abs. 3 BV und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 LWG fest­ge­leg­te Woh­nungs- oder Auf­ent­halts­er­for­der­nis als Wahl­be­rech­ti­gungs­vor­aus­set­zung das ge­eig­ne­te und "üb­li­che" In­stru­men­ta­ri­um, das in ver­gleich­ba­rer Weise auch in allen an­de­ren Bun­des­län­dern vor­ge­se­hen sei. 

VerfGH Bayern, Entscheidung vom 09.10.2018 - 09.10.2018 Vf. 1-VII-17

Redaktion beck-aktuell, 12. Oktober 2018.

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