Antragsteller rügte Ausschluss vom passiven Wahlrecht für "Auslandsbayern"
Der Antragsteller ist in Bayern geboren und lebt in der Schweiz. Er wendete sich gegen Art. 22 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 des Landeswahlgesetzes (LWG), wonach die Kandidatur für die Wahlen zum Landtag eine Wohnung oder einen gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern seit mindestens drei Monaten voraussetzt. Er sah dadurch die verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte der Allgemeinheit der Wahl (Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Bayerischen Verfassung, BV) und auf Teilhabe an der Staatsgewalt durch Teilnahme an Wahlen (Art. 7 Abs. 2 BV) verletzt. Außerdem meinte er, der Gesetzgeber sei verpflichtet, ein Ausführungsgesetz über die bayerische Staatsangehörigkeit zu erlassen, um die Wählbarkeit bayerischer Staatsangehöriger ohne Wohnsitz in Bayern zu ermöglichen.
VerfGH: Kein Anspruch auf Erlass eines Gesetzes über die bayerische Staatsangehörigkeit
Der VerfGH hat die Popularklage als unzulässig abgewiesen. Der einzelne Bürger habe kein subjektives, mit der Popularklage einklagbares Recht darauf, dass der Landtag ein Gesetz über die bayerische Staatsangehörigkeit erlässt. Zwar habe Art. 6 BV die bayerische Staatsangehörigkeit als Institution wieder eingeführt. Allerdings sei Art. 6 BV, der aufgrund der in Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz getroffenen Regelung über die deutsche Staatsangehörigkeit seine praktische Bedeutung eingebüßt habe, für sich allein nicht vollziehbar, sondern bedürfe der Ergänzung durch das in Art. 6 Abs. 3 BV vorgesehene Gesetz. Die Bayerische Verfassung gewähre jedoch kein subjektives Recht auf den Besitz und die Bestätigung der bayerischen Staatsangehörigkeit.
Landesstaatsangehörigkeitsgesetz würde "Auslandsbayern" auch kein Wahlrecht vermitteln
Aus den Ausführungen des Antragstellers ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Insbesondere würde ein solches Gesetz bayerischen Staatsangehörigen, die außerhalb Bayerns wohnten oder sich dort gewöhnlich aufhielten, weder ein aktives noch ein passives Wahlrecht vermitteln.
Art. 7 Abs. 3 BV gilt für aktives und passives Wahlrecht
Weiter führt der VerfGH aus, dass sich ein passives Wahlrecht potenzieller Kandidaten mit Wohnsitz außerhalb Bayerns für die Wahlen zum Landtag nicht daraus ergebe, dass nach Art. 14 Abs. 2 BV jeder wahlfähige Staatsbürger wählbar ist, der das 18. Lebensjahr vollendet habe. Der Begriff "wahlfähig" knüpfe an die Wahlberechtigung, also an das aktive Wahlrecht (Art. 7 Abs. 2 BV) an. Gemäß Art. 7 Abs. 3 BV, der sowohl für das aktive als auch für das passive Wahlrecht gelte, könne die Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte von der Dauer eines Aufenthalts bis zu einem Jahr abhängig gemacht werden.
Ortsbindungsregelung mit Bayerischer Verfassung vereinbar
Laut VerfGH hat der Antragsteller auch nicht hinreichend dargelegt, dass die Regelung über die Ortsbindung als Wählbarkeitsvoraussetzung verfassungsmäßige Rechte verletzen würde. Die LWG-Regelungen, die das aktive und passive Wahlrecht an eine (Haupt-)Wohnung oder an einen gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern seit mindestens drei Monaten knüpften, stünden offensichtlich mit der Bayerischen Verfassung in Einklang. Der Gesetzgeber verfüge hinsichtlich der Voraussetzungen für die Wahlberechtigung über einen Ermessensspielraum, der nur durch die Wahlrechtsnormen der Verfassung, das Willkürverbot und einschlägiges Bundesrecht begrenzt werde. Den Ausführungen des Antragstellers sei nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber diesen Ermessensspielraum überschritten hat.
Ausschluss von Stimmenungleichgewichten und Mehrfachwahl erforderlich
Art. 7 Abs. 3 BV und das auf seiner Grundlage erlassene Wohnungs- oder Aufenthaltserfordernis ließen den Gedanken der Sesshaftigkeit zum Zuge kommen und widersprächen nicht dem in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV verankerten Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl. Laut VerfGH könnten ohne dieses Erfordernis in Bayern wahlberechtigte Staatsbürger, die nicht im Ausland, sondern in einem anderen Bundesland lebten, ihre Stimme bei Landtagswahlen in mehreren Bundesländern abgeben. Hierdurch könnten sie im Vergleich zu Personen, die lediglich in einem Bundesland stimmberechtigt seien, mehr Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundesrates und der Bundesversammlung sowie auf die Wahl von Bundesrichtern nehmen. Gleiches gelte für ein passives Wahlrecht in mehreren Bundesländern, das eine Mehrfachmitgliedschaft in verschiedenen Länderparlamenten zur Folge haben könnte, so der VerfGH weiter. Deshalb müssten Stimmenungleichgewichte und eine Mehrfachwahl durch Regelungen ausgeschlossen werden, die eine Wahl grundsätzlich nur in einem Bundesland zulassen. Hierzu sei das in Art. 7 Abs. 3 BV und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 LWG festgelegte Wohnungs- oder Aufenthaltserfordernis als Wahlberechtigungsvoraussetzung das geeignete und "übliche" Instrumentarium, das in vergleichbarer Weise auch in allen anderen Bundesländern vorgesehen sei.