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Ziel des Gesetzes

Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) soll in einem neuen Stammgesetz von Grund auf neu gefasst werden, heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf. Die wesentlichen Änderungen des neuen KapMuG gegenüber dem bisherigen Gesetz sind folgende:

1. Anwendungsbereich

Innerhalb der Beschränkung auf kapitalmarktrechtliche Ansprüche soll der Anwendungsbereich  des KapMuG moderat ausgeweitet werden. In der Rechtspraxis habe besonders die Behandlung von Ansprüchen aus fehlerhafter Anlagevermittlung und -beratung für Probleme gesorgt. Der Bundesgerichtshof hat inzwischen entschieden (BGH, Beschluss vom 10.  Juni 2008, BGHZ 177, 88), dass ein Musterfeststellungsantrag nur zulässig ist, wenn sich der geltend gemachte Schadensersatzanspruch „unmittelbar“ aus einer fehlerhaften, irreführenden  oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformation ergibt. Ansprüche aufgrund falscher Anlageberatung haben nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung  einen nur „mittelbaren“ Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation und werden  folglich nach bisherigem Recht vom Anwendungsbereich des KapMuG nicht erfasst. Damit können eng verbundene Fragen von Kapitalmarktinformation und Anlageberatung nicht in einem Musterverfahren behandelt werden. Durch den vorliegenden Entwurf sollen auch Verfahren in den Anwendungsbereich des KapMuG einbezogen, in denen ein Anspruch auf die Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder auf die Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, gestützt wird. Auf die Unterscheidung  zwischen unmittelbarer oder bloß mittelbarer Bedeutung der öffentlichen Kapitalmarktinformation für den Anspruch soll es nicht mehr ankommen.

2. Erleichterung der gütlichen Streitbeilegung

Nach den bisherigen Vorschriften des KapMuG sei eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich nur möglich, wenn alle Beteiligten (d. h. Musterkläger, -beklagte und alle Beigeladenen) zustimmen. Diese Voraussetzung sei in der Praxis kaum erfüllbar. Der vorliegende  Entwurf sehe daher vor, einen gerichtlich gebilligten Vergleich zwischen Musterkläger und Musterbeklagten mit Austrittsmöglichkeit einzuführen (§§ 17 bis 19, 23 KapMuG-E). Vorbild dafür sei das niederländische Modell, das auch vom Abschlussbericht der Evaluation empfohlen werde. Danach sollen sich der Musterkläger und die  Musterbeklagten zunächst auf einen Vergleich einigen und diesen dem Oberlandesgericht zur Billigung vorlegen. Alternativ könne auch das Gericht dem Musterkläger und den Musterbeklagten  einen Vergleichsabschluss vorschlagen. Das Gericht muss in jedem Fall nach Anhörung der Beigeladenen prüfen, ob es sich bei dem Vergleich um eine angemessene Lösung handelt und die Interessen der Beteiligten ausreichend gewahrt sind. So soll sichergestellt werden, dass der Vergleich ein für alle Seiten ausgewogenes und faires Ergebnis darstellt. Der Vergleich soll erst nach Billigung durch das Gericht für alle Beteiligten gültig werden. Allerdings sollen die Beteiligten, ausgenommen der Musterkläger und die Musterbeklagten, die Möglichkeit haben, aus dem Vergleich innerhalb einer bestimmten Frist auszutreten. Der gerichtlich gebilligte Vergleich mit Austrittsmöglichkeit soll die gütliche Streitbeilegung im Musterverfahren fördern und gleichzeitig die Interessen aller Beteiligten wahren.

3. Beschleunigung des Musterverfahrens

Die Erfahrungen der Praxis mit dem KapMuG hätten gezeigt, dass das Gesetz noch nicht in dem erhofften Maße zur Entlastung der Justiz beigetragen hat. Der Problematik der langen Wartezeiten bis zum Beginn eines Musterverfahrens soll durch die Einführung einer Frist für die Bekanntmachung zulässiger Musterverfahrensanträge als Sollvorschrift begegnet werden (§ 3 Absatz 3 KapMuG-E). Zudem sollen künftig auch Beschlüsse des Prozessgerichts, in denen Musterverfahrensanträge als unzulässig verworfen (§ 3 Absatz 1  KapMuG-E) oder wegen Nichterreichens des Quorums zurückgewiesen werden (§ 6 Absatz  5 KapMuG-E), für unanfechtbar erklärt und die Voraussetzungen für die Vorlage an das Oberlandesgericht modifiziert werden (§ 6 Absatz 1 und 2 KapMuG-E), damit das Erreichen des Quorums hinreichend klar anhand des Klageregisters beurteilt werden kann und längere Zeiträume der Ungewissheit, ob ein Musterverfahren beginnt, vermieden werden. Schließlich soll das Oberlandesgericht anstelle des Landgerichts für die Erweiterung  des Gegenstands des Musterverfahrens zuständig sein (§ 15 KapMuG-E), um eine Befassung  verschiedener Gerichte während eines Musterverfahrens zu vermeiden.

4. Erleichterter Zugang zum Musterverfahren

Der Abschlussbericht zur Evaluation enthalte den Vorschlag, die Möglichkeit einer einfachen  Teilnahme am Musterverfahren einzuführen (Abschlussbericht S. 101). Der Vorschlag soll einen effizienteren Rechtsschutz der Kapitalanleger bewirken. Danach setze die einfache Teilnahme keine förmliche Klageerhebung voraus, sondern ermögliche eine  Beteiligung am Musterverfahren durch schriftliche Anzeige beim Oberlandesgericht nach Eröffnung des Musterverfahrens. Als Wirkungen der einfachen Teilnahme würden die Hemmung der Verjährung, die Geltung des Musterentscheids auch für und gegen den einfachen Teilnehmer und die Einbeziehung in einen Vergleichsschluss im Musterverfahren vorgeschlagen. Neben den möglichen Wirkungen der einfachen Teilnahme wäre zu klären, welche Beteiligungsrechte der einfache Teilnehmer im Musterverfahren habe und welche Kosten er tragen müsse. Die einfache Teilnahme sei noch nicht in diesem Gesetzentwurf enthalten, da noch geprüft werde, ob und in welcher Ausgestaltung die Aufnahme eines solchen neuen Instruments des Rechtsschutzes in das KapMuG angesichts möglicher Missbrauchsrisiken verantwortet werden könne. Die Ergebnisse dieser Prüfung sollen in das weitere parlamentarische  Verfahren eingebracht werden.

 

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