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Ziel des Gesetzes

I. Ziel der EU-Dienstleistungsrichtlinie

Der Vorschlag der Kommission ist Teil des wirtschaftlichen Reformprozesses, der mit der Lissabon-Strategie in Gang gesetzt wurde. Da Dienstleistungen den wichtigsten Faktor in der EU-Wirtschaft darstellen, seien wettbewerbsfähige Dienstleistungsmärkte für das Wachstum entscheidend. Derzeit hindere eine Vielzahl von Binnenmarktschranken viele Dienstleistungsunternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) daran, über die nationalen Grenzen hinaus zu wachsen und uneingeschränkt vom Binnenmarkt zu profitieren.
In dem Vorschlag geht es um die Schaffung eines realen europäischen Binnenmarkts für Dienstleistungen durch Beseitigung rechtlicher und administrativer Hindernisse für die Entwicklung von Dienstleistungen. Auf solche Hindernisse können Dienstleistungserbringer sowohl dann stoßen, wenn sie sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen möchten, als auch dann, wenn sie von ihrem Herkunftsmitgliedstaat aus Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat erbringen wollen, z. B. indem sie sich vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat begeben. Der Vorschlag verfolgt das Ziel, die Ausübung dieser beiden im EG-Vertrag verankerten Grundfreiheiten (d. h. die Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs) zu erleichtern und den Dienstleistungserbringern größere Rechtssicherheit zu verschaffen.
Zudem würde derzeit die Nachfrage der Verbraucher nach grenzüberschreitenden Dienstleistungen wegen erheblicher rechtlicher und administrativer Schwierigkeiten, mangelnder Information und wegen fehlenden Vertrauens in Dienstleistungen aus anderen Mitgliedstaaten nicht gedeckt. Der Vorschlag will dieses Problem beseitigen, indem er die Mitgliedstaaten verpflichtet, Beschränkungen für die Inanspruchnahme grenzüberschreitender Dienstleistungen aufzuheben; dies soll durch die Anwendung des Diskriminierungsverbots, durch die Einforderung von mehr Transparenz und durch Information seitens der Dienstleistungserbringer erreicht werden.
Weiterhin ist laut Kommission eine effiziente, gut funktionierende Verwaltungszusammenarbeit ist für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes unerlässlich. Der Vorschlag begründet eine rechtliche Verpflichtung zum Austausch von Informationen und zur gegenseitigen Amtshilfe der Mitgliedstaaten, was durch ein gut funktionierendes elektronisches Informationssystem unterstützt wird, das es den zuständigen Behörden ermöglicht, die richtigen Ansprechpartner in anderen Mitgliedstaaten problemlos zu ermitteln und mit ihnen zu kommunizieren.
Im Gegensatz zum ursprünglichen Entwurf will die Kommission nun nicht mehr auf dem so genannten «Herkunftslandprinzip» bestehen. Der Grundsatz, wonach Dienstleister aus anderen EU-Staaten nur den Regeln ihres Heimatlandes unterworfen sein sollen, hatte in vielen EU-Staaten zu Angst vor Lohn- und Sozialdumping aus «neuen» EU-Ländern Mittel- und Osteuropas geführt.

 

II. Ziel des Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften

1. Ziel und Gegenstand des Gesetzentwurfs

Die Pflicht zur Umsetzung verfahrensrechtlicher Vorgaben der Dienstleistungsrichtlinie soll laut Begründung des Regierungsentwurfs zum Anlass genommen werden, neue Verfahrensinstrumente in das Verwaltungsverfahrensgesetz aufzunehmen und Verbesserungen einzuführen, die über den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie hinaus zur Verfügung stehen sollen.
Es sollen das «Verfahren über eine einheitliche Stelle» als neue besondere Verfahrensart und Regelungen über die Genehmigungsfiktion eingeführt werden, die nach Anordnung durch Rechtsvorschrift anzuwenden sind. Dabei handelt es sich um Regelungskonzepte, die durch einfache Verweisung im Fachrecht angewandt werden können. Abweichende oder ergänzende Regelungen können auf das unbedingt Erforderliche beschränkt bleiben, die Durchsetzung eines möglichst einheitlichen Verwaltungsrechts wird gestärkt.
In einigen Berufskammergesetzen sollen zugleich die erforderlichen Regelungen getroffen werden, um die Geltung der Vorschriften über das neue Verfahrensmodell und die Genehmigungsfiktion anzuordnen. Außerdem werde die Möglichkeit geschaffen, dass bestimmte Berufskammern die Aufgaben der einheitlichen Stelle wahrnehmen.

 

2. Die wesentlichen Änderungen im Überblick

a) Einführung einer neuen besonderen Verfahrensart «Verfahren über eine einheitliche Stelle»

Das Verfahrensmodell «Verfahren über eine einheitliche Stelle» hat zwei Aspekte: Zum einen soll es die Abwicklung eines oder mehrerer Verwaltungsverfahren über eine einheitliche Stelle, die insoweit als Mittler zwischen Antragsteller und den eigentlich zuständigen Behörden tritt regeln. Zum anderen sollen Verfahrensvorschriften eingeführt werden, die unabhängig von der – freiwilligen – Inanspruchnahme der einheitlichen Stelle gelten, also auch wenn alle betroffenen Verfahren ausschließlich von den zuständigen Behörden durchgeführt werden.
Die einheitliche Stelle habe die Funktion eines unterstützenden Verfahrensmittlers zwischen Antragsteller und zuständiger Behörde. Sie entspreche damit den Anforderungen der Dienstleistungsrichtlinie an einen einheitlichen Ansprechpartner. Anders als etwa das Planfeststellungsverfahren entfalte das Verfahren über eine einheitliche Stelle aber weder Konzentrations- noch Integrationswirkung. Die Zuständigkeiten und Befugnisse der im Zusammenhang mit einem bestimmten Vorhaben beteiligten Behörden sollen unberührt bleiben. Die Verfahrensabwicklung über die einheitliche Stelle ist nicht zwingend, sondern erfolgt nur, wenn und soweit dies vom Antragsteller gewünscht wird.
Die einheitliche Stelle habe darüber hinaus besondere Informationspflichten zu erfüllen, um einen frühzeitigen Überblick über alle für ein Vorhaben einschlägigen Vorschriften und Verfahren und die dafür zuständigen Behörden zu gewährleisten. Diesen Behörden selbst sollen für ihren Zuständigkeitsbereich weitergehende Informationspflichten bezüglich des von ihnen anzuwendenden Rechts auferlegt werden.
Bestimmte verfahrensrechtliche Anforderungen sollen auch erfüllt werden müssen, wenn die einheitliche Stelle nicht in Anspruch genommen wird. Dies soll dadurch sichergestellt werden, dass diese Regelungen zwar Bestandteil des Verfahrensmodells sind, aber auch ohne Inanspruchnahme der einheitlichen Stelle gelten. Es handele sich vor allem um die Gewährleistung einer elektronischen Verfahrensabwicklung und die Erfüllung von Informationspflichten durch die Verwaltung.

b) Einführung von Regelungen über die Genehmigungsfiktion

Die Dienstleistungsrichtlinie schreibe nicht nur die Einführung vorab festgelegter Entscheidungsfristen für die Verwaltung vor. Nach Ablauf dieser Fristen soll darüber hinaus grundsätzlich eine Genehmigungsfiktion gelten, soweit nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses Ausnahmen gerechtfertigt sind. In einzelnen Fachgesetzen ist das Institut der Genehmigungsfiktion seit langem anerkannt. Das Verwaltungsverfahrensgesetz enthält bislang aber keine ausdrücklichen Regelungen zur Genehmigungsfiktion. Der Gesetzentwurf sehe allgemeine Grundsätze zur Genehmigungsfiktion im Verwaltungsverfahrensgesetz vor. Diese sollen gelten, wenn fachgesetzlich die Genehmigungsfiktion angeordnet und soweit dort nichts Abweichendes geregelt ist. Die sachgerechte Bestimmung der von der Dienstleistungsrichtlinie geforderten vorab festgelegten Bearbeitungszeiten könne nicht allgemein erfolgen, sondern bleibe dem Fachrecht vorbehalten.
Das neue Verfahrensmodell und die Regelungen zur Genehmigungsfiktion sollen nur gelten, soweit dies durch Rechtsvorschrift angeordnet wird. Neben der mit diesem Gesetz verfolgten Anpassung des Verwaltungsverfahrensgesetzes müssten somit entsprechende Gesetzesbefehle entweder im einschlägigen Fachrecht oder in Ausführungsgesetzen aufgenommen werden. Für den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie sei dies zwingend, darüber hinaus könne die Anordnung nach Zweckmäßigkeitserwägungen erfolgen. Die Dienstleistungsrichtlinie schreibe eine umfassende Überprüfung und ggf. Anpassung des Normenbestandes in Bezug auf die von ihr vorgegebenen – auch materiellrechtlichen – Bestimmungen innerhalb der Umsetzungsfrist vor. Da im Rahmen dieser Überprüfung für jedes Genehmigungsverfahren zu entscheiden sei, ob es in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, sollen zugleich die Fachgesetze identifiziert werden, in denen die beschriebene Anordnung des Verfahrens über eine einheitliche Stelle aufzunehmen ist.

c) Einführung von Öffnungsklauseln

Mit der Einführung von Öffnungsklauseln sollen die Länder bestimmten Berufskammern die Aufgaben der einheitlichen Stelle übertragen können. Weiter sollen Regelungen zur Anordnung der Geltung des neuen Verfahrensmodells und der Genehmigungsfiktion in einigen Berufskammergesetzen eingeführt werden.

 

III. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie im Gewerberecht und in weiteren Rechtsvorschriften

Mit dem Gesetzentwurf sollen die Vorgaben der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12. 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) in der Gewerbeordnung, der Handwerksordnung, der Wirtschaftsprüferordnung und dem Signaturgesetz umgesetzt. Der Gesetzentwurf basiert laut Gesetzesbegründung auf den Ergebnissen der zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie durchgeführten und von dieser vorgeschriebenen systematischen Überprüfung des dienstleistungsrelevanten Rechts (sog. Normenprüfung) für die genannten Gesetze.

Umsetzung des Artikels 16 der Dienstleistungsrichtlinie in der Gewerbeordnung
Zentrale Änderung ist die Umsetzung des Artikels 16 der Dienstleistungsrichtlinie in der Gewerbeordnung.
Artikel 16 der Dienstleistungsrichtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die freie Aufnahme und freie Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten durch in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Dienstleistungserbringer nur dann vom Vorliegen einer Genehmigung abhängig machen dürfen, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit oder des Schutzes der Umwelt gerechtfertigt werden kann, wobei diese Begriffe gemeinschaftsrechtlich zu definieren sind.
Auch sonstige Anforderungen an Dienstleistungserbringer dürfen nur bei Vorliegen eines der genannten vier Rechtfertigungsgründe aufrecht erhalten werden. Dies bedeutet für einige Vorschriften der Gewerbeordnung, dass diese auf grenzüberschreitende Dienstleistungserbringer nicht angewendet werden dürfen. Damit werden, entsprechend der Intention der Dienstleistungsrichtlinie, Hürden für den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr abgebaut.
Zur besseren Übersichtlichkeit soll die Nichtanwendbarkeit der betreffenden Vorschriften nicht in der jeweiligen Vorschrift, sondern zentral im § 4 der Gewerbeordnung geregelt werden.

Anordnung der Geltung der Genehmigungsfiktion in der Gewerbeordnung
Eine wesentliche weitere Neuregelung ist die Anordnung der Geltung der Genehmigungsfiktion (Artikel 13 Absatz 4 der Richtlinie, § 42a Absatz 1 VwVfG) in der Gewerbeordnung, der Handwerksordnung und dem Signaturgesetz. Dabei wird in der Gewerbeordnung und der Handwerksordnung als Entscheidungsfrist nach Artikel 13 Absatz 3 Dienstleistungsrichtlinie – und damit als Frist bis zum Eintritt der fingierten Genehmigung – eine kürzere Frist als die in § 42a Absatz 2 VwVfG vorgesehene Frist von drei Monaten festgesetzt. Außerdem wird für den Bereich der Gewerbeordnung, der Wirtschaftsprüferordnung und des Signaturgesetzes die Möglichkeit geregelt, die einheitliche Stelle im Sinne der §§ 71a ff. des Verwaltungsverfahrensgesetzes in Anspruch zu nehmen.

Verordnungsermächtigung
Weiterhin enthält der Gesetzentwurf eine Ermächtigung, die in der Dienstleistungsrichtlinie geregelten Informationspflichten zentral in einer Rechtsverordnung umsetzen zu können.

 

IV. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften

Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36) erfordert laut Gesetzesbegründung zum Umsetzungsgesetz Rechtsanpassungen im Bereich der Justiz vor allem in den Verfahren der Berufszulassung zu den rechtsberatenden Berufen. Daneben würden aber auch Änderungen bei der Prozessvertretungstätigkeit europäischer Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, bei der Anerkennung von Übersetzungen fremdsprachiger Urkunden durch Übersetzerinnen und Übersetzer aus dem europäischen Ausland sowie bei der Registereinsicht durch ausländische Behörden im Rahmen der europäischen Verwaltungszusammenarbeit erforderlich.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen die zur Richtlinienumsetzung erforderlichen Rechtsänderungen vorgenommen werden. Daneben sollen weitere Anpassungen des Berufs-, Verfahrens-, Gerichtsverfassungs-, Kosten- und Markenrechts erfolgen, um aufgetretene Streitfragen zum Rechtsweg in verwaltungsrechtlichen Notarsachen, zum Mechanismus der Verhinderung von Missbräuchen beim Pfändungsschutzkonto (PKonto) nach § 850k Absatz 8 der Zivilprozessordnung, zur Amtsenthebung von Schöffen bei gröblicher Amtspflichtverletzung sowie zu den Gerichtskosten und Anwaltsgebühren im neuen familienrechtlichen Verfahren zu lösen und das Markenrecht an geänderte internationale Vorgaben anzupassen.

 

 

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