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Ziel des Gesetzes

Motiv für die geplante Reform des Erbrechts sind nach Angaben des Bundesjustizministeriums die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre. Auf viele Erscheinungen wie die zunehmende Zahl von Ehescheidungen und von unverheiratet zusammenlebenden Paaren sowie Patchworkfamilien enthalte das geltende Recht nämlich keine zeitgemäßen Antworten. Die geplante Reform soll dem Spannungsfeld zwischen den beiden verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Testierfreiheit des Erblassers auf der einen und der Mindestbeteiligung der Abkömmlinge am Nachlass auf der anderen Seite gerecht werden.

 

Das Pflichtteilsrecht lässt Abkömmlinge oder Eltern sowie Ehegatten und den Lebenspartner des Erblassers auch dann am Nachlass teilhaben, wenn sie der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils; diese Höhe soll durch die geplanten Neuerungen unberührt bleiben.

 

Die wichtigsten Punkte der Reform im Einzelnen:

 

Modernisierung der Pflichtteilsentziehungsgründe

Ein wesentliches Anliegen der Reform ist laut Bundesjustizministerium die Stärkung der Testierfreiheit des Erblassers, also seines Rechts, durch Verfügung von Todes wegen über seinen Nachlass zu bestimmen. Dementsprechend sollen die Gründe überarbeitet werden, die den Erblasser berechtigen, den Pflichtteil zu entziehen:

 

- Die Entziehungsgründe sollen vereinheitlicht werden, indem sie künftig für Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten oder Lebenspartner gleichermaßen Anwendung finden. Bislang gelten insoweit Unterschiede, für die es keinen sachlichen Grund gebe.

 

- Darüber hinaus sollen künftig alle Personen geschützt werden, die dem Erblasser einem Ehegatten, Lebenspartner oder Kindern vergleichbar nahe stehen, z. B. Stief- und Pflegekinder. Eine Pflichtteilsentziehung soll auch dann möglich sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte diesen Personen nach dem Leben trachtet oder sie körperlich schwer misshandelt. Nach derzeitiger Gesetzeslage ist dies nur bei entsprechenden Vorfällen gegenüber dem Erblasser, seinem Ehegatten, Lebenspartner oder seinen Kindern möglich.

 

- Der Entziehungsgrund des ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels soll entfallen. Stattdessen soll künftig eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen, wenn es dem Erblassers unzumutbar ist, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen. Gleiches soll bei Straftaten gelten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden.

 

Maßvolle Erweiterung der Stundungsgründe

Besteht das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem Eigenheim oder einem Unternehmen, müssen die Erben diese Vermögenswerte oft nach dem Tod des Erblassers verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Lösung biete hier die bereits geltende Stundungsregelung, die jedoch derzeit sehr eng ausgestaltet und nur dem pflichtteilsberechtigten Erben (insbes. Abkömmling, Ehegatte) eröffnet ist. Mit der Reform soll die Stundung unter erleichterten Voraussetzungen und für jeden Erben durchsetzbar sein.

 

Gleitende Ausschlussfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch

Die Ausschlussfrist für Pflichtteilsergänzungsansprüche soll flexibler werden. Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch kann für den Pflichtteilsberechtigten nach geltendem Recht bestehen, wenn der Erblasser Vermögenswerte an eine dritte Person verschenkt und dadurch den Nachlass verringert hat. Schenkungen werden dabei in voller Höhe berücksichtigt, wenn sie bis zu zehn Jahre vor dem Erbfall durchgeführt wurden. Das bedeutet: Verstirbt der Erblasser auch nur einen Tag vor Ablauf dieser Frist, wird der Pflichtteilsberechtigte für die Berechnung seines Anspruchs so gestellt, als gehöre die Schenkung noch zum Nachlass.

Die Reform sieht nun vor, dass die Schenkung für die Pflichtteilsberechnung graduell immer weniger Berücksichtigung findet, je länger sie zurück liegt: Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall würde demnach voll in die Berechnung des Nachlasses einbezogen, im zweiten Jahr jedoch nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. berücksichtigt. Damit werde sowohl dem Erben als auch dem Beschenkten mehr Planungssicherheit eingeräumt.

 

Bessere Honorierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich

Auch außerhalb des Pflichtteilsrechts soll das Erbrecht vereinfacht und modernisiert werden. Ein wichtiger Punkt ist die bessere Berücksichtigung von Pflegeleistungen bei der Erbauseinandersetzung. Zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt, über die finanzielle Seite wird dabei selten gesprochen. Trifft der Erblasser auch in seinem Testament keine Ausgleichsregelung, geht der pflegende Angehörige heute oftmals leer aus. Erbrechtliche Ausgleichsansprüche gibt es nur für einen Abkömmling, der unter Verzicht auf berufliches Einkommen den Erblasser über längere Zeit pflegt. Künftig soll jeder gesetzliche Erbe einen Ausgleich für Pflegeleistungen erhalten und zwar unabhängig davon, ob er für die Pflegeleistungen auf ein eigenes berufliches Einkommen verzichtet hat. Die Bewertung der Leistungen werde sich an der gesetzlichen Pflegeversicherung orientieren.

 

Änderungen im Verjährungsrecht

Mit dem Gesetzentwurf soll die Verjährung von familien- und erbrechtlichen Ansprüchen an die Verjährungsvorschriften des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes von 2001 angepasst werden. Diese sehen eine Regelverjährung von drei Jahren vor. Dagegen unterliegen die familien- und erbrechtlichen Ansprüche derzeit einer Sonderverjährung von 30 Jahren, von denen das Gesetz zahlreiche Ausnahmen macht. Dies führe zu Wertungswidersprüchen in der Praxis und bereite Schwierigkeiten bei der Abwicklung der betroffenen Rechtsverhältnisse.  Dort, wo es sinnvoll ist, soll jedoch die lange Verjährung erhalten bleiben.

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