NJW-Editorial

In­tel­li­gen­ter Rechts­durch­set­zungs­mix

Seit Jah­res­be­ginn ist das deut­sche Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz (LkSG) in Kraft. Es trans­for­miert auf Frei­wil­lig­keit ba­sie­ren­de UN-Leit­prin­zi­pi­en (soft law) in ­verbindliche Sorg­falts­pflich­ten. Wäh­rend ei­ni­ge aus­län­di­sche Rechts­ord­nun­gen zur Sank­tio­nie­rung von Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen auf Pri­va­te Law En­force­ment set­zen, soll die Ver­let­zung der neuen „Be­mü­hens­pflich­ten“ hier­zu­lan­de keine zi­vil­recht­li­che Haf­tung be­grün­den (§ 3 III 1 LkSG).

2. Feb 2023

Der deut­sche Ge­setz­ge­ber ver­traut der be­hörd­li­chen Rechts­durch­set­zung (Pu­blic Law En­force­ment, s. BT-Drs. 19/30505, 39; rechts­po­li­tisch Rühl/Knau­er JZ 2022, 107). Ihre Ef­fek­ti­vi­tät hängt auf­grund des um­fang­rei­chen Auf­ga­ben­ka­nons des zu­stän­di­gen BAFA, das nach § 14 I Nr. 2 LkSG auch auf An­trag von Pri­vat­per­so­nen tätig wird, von sei­ner per­so­nel­len Aus­stat­tung ab. Wenn je­doch künf­tig des­sen Durch­set­zungs­in­stru­men­te (§§ 15, 17, 24 LkSG) un­ef­fek­tiv blei­ben soll­ten, wird auf (flan­kie­ren­des) Pri­va­te Law En­force­ment nicht ver­zich­tet wer­den kön­nen.

Der Richt­li­ni­en­vor­schlag der EU-Kom­mis­si­on vom 23.2.​2022 (COM (2022), 71) setzt hin­ge­gen auf ein Durch­set­zungs­sys­tem, das auf zwei Säu­len ruht. Be­hörd­li­che Sanktio­nen (Artt. 18, 20 RiLi-E) und (in­ter­na­tio­nal zwin­gen­de) zi­vil­recht­li­che Haf­tung (Art. 22 I, V RiLi-E) wer­den auf am­bi­tio­nier­te Weise kom­bi­niert. Bei der künf­ti­gen Um­set­zung soll­te die Sta­tu­ie­rung einer un­ter­neh­me­ri­schen Ge­fähr­dungs­haf­tung ver­mie­den ­werden. Der Kom­pro­miss­text des Rats vom 30.11.​2022 sieht des­we­gen ein haf­tungs­be­gren­zen­des Ver­schul­dens­er­for­der­nis vor, wäh­rend der Rechts­aus­schuss des EU-Par­la­ments in sei­ner Stel­lung­nah­me vom 7.11.​2022 – ten­den­zi­ell ge­gen­läu­fig – Ver­schär­fun­gen vor­schlägt (lange Ver­jäh­rungs­fris­ten; Be­weis­last­um­kehr). Kor­rek­tur­be­dürf­tig er­scheint die im Ver­hält­nis zu § 14 LkSG über­schie­ßen­de An­trags­be­fug­nis von Pri­vat­per­so­nen (Art. 19 I RiLi-E), wel­che auf eine in­di­vi­du­el­le Be­trof­fen­heit ver­zich­tet (Po­pu­l­ar­be­schwer­den). Be­grü­ßens­wert ist die (um­satz­ab­hän­gi­ge) Ein­be­zie­hung dritt­staat­li­cher Un­ter­neh­men (Art. 2 II RiLi-E), wel­che auf dem eu­ro­päi­schen Ab­satz­markt tätig sind, sowie die Ein­rich­tung eines eu­ro­päi­schen Net­zes von Auf­sichts­be­hör­den (Art. 21 RiLi-E).

Bei Um­set­zung der Richt­li­nie dürf­te das deut­sche LkSG eine sinn­vol­le Ef­fek­tu­ie­rung hin zu einem ver­schränk­ten Mo­dell aus pri­va­ter und öf­fent­lich-recht­li­cher Rechts­durch­set­zung er­fah­ren (s. i.E. wohl auch Spind­ler ZHR 186 (2022), 124). In­for­ma­ti­ons­de­fi­zi­te be­züg­lich Lie­fer­ket­ten las­sen sich unter Um­stän­den be­hörd­lich leich­ter über­win­den als durch Pri­vat­per­so­nen, die zudem fi­nan­zi­ell ent­las­tet wer­den. Denk­bar er­scheint auch, dass Be­hör­den ver­stärkt als „Da­ten­ge­ber“ für Pri­vat­kla­gen fun­gie­ren. Pu­blic Law En­force­ment er­mög­licht über­dies eine an­lass­ori­en­tier­te Kol­lek­ti­vie­rung der Maß­nah­men, wel­che die in­di­vi­du­el­le Ver­letz­ten­sicht des Zi­vil­rechts aus­blen­det. Dass beide Wege ver­knüpf­bar sind, zeigt sich etwa darin, dass Art. 22 II RiLi-E (sys­tem­neu) be­hörd­lich ein­ge­for­der­te und er­füll­te Ab­hil­fe­maß­nah­men bei der Be­wer­tung des zi­vil­recht­li­chen Haf­tungs­um­fangs be­rück­sich­ti­gen will.

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Prof. Dr. Christoph Althammer ist Lehrstuhlinhaber an der Universität Regensburg.