Richterbund und Anwaltverein starten Plattform für türkische Exil-Juristen

Nach dem Verfassungsreferendum in der Türkei hat der Deutsche Richterbund (DRB) mit dem Deutschen Anwaltverein (DAV) eine Internetplattform für  Exil-Juristen aus der Türkei gestartet. Dies teilte der DAV am 19.04.2017 mit. Die türkischsprachige Internetseite biete türkischen Richtern, Staatsanwälten und Anwälten, die aus politischen Gründen nach Deutschland fliehen, eine erste Orientierung und Kontakt zu deutschen Kollegen.

Verbände befürchten Zusammenbruch des Rechtsstaates in der Türkei

"Nach dem Referendum müssen wir davon ausgehen, dass der Rechtsstaat in der Türkei vollends kollabiert", sagt DAV-Präsident Ulrich Schellenberg. Es sei daher damit zu rechnen, dass viele der schon jetzt unter Repressionen leidenden Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte das Land verlassen. "Bereits vor dem Referendum herrschte in der türkischen Anwaltschaft ein Klima der Angst", betonte er. Der DAV-Präsident hatte im Januar 2017 die Türkei besucht. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Jens Gnisa geht davon aus, dass die Justiz in der Türkei keine rechtsstaatlichen Verfahren mehr gewährleisten könne: "Ein Richter oder Staatsanwalt, der es wagt, sich gegen Erdogans Linie zu stellen, muss um seinen Beruf, seine Freiheit und die wirtschaftliche Existenz seiner Familie fürchten." Den Richterbund würden "Woche für Woche erschütternde Berichte von türkischen Kollegen und ihren Angehörigen" erreichen.

Projekt als Zeichen der Solidarität

Seit dem Putsch im Juli 2016 seien mehr als 4.000 Richter und Staatsanwälte aus ihren Ämtern entfernt worden, viele von ihnen säßen ohne Angabe konkreter Gründe nach wie vor in Haft. Mit ihrem Hilfsportal solle ein Zeichen der Solidarität gesetzt und konkrete Hilfe angeboten werden, so die Verbände. "Wer sich angesichts der weiter zugespitzten Lage in der Türkei entscheidet, nach Deutschland zu fliehen, der soll über das neue Hilfsportal (www.turkish-law-colleagues.de) schnell Ansprechpartner und Unterstützung finden", erklärt Gnisa. Die Plattform vermittele Kontakt zu türkischsprachigen Richtern, Staatsanwälten und Anwälten im gesamten Bundesgebiet.

Redaktion beck-aktuell, 19. April 2017.