OLG Hamm: Haftungsfragen nach Kollision eines Müllfahrzeugs mit Tankstellenpreismast

Fährt ein Müllfahrzeug aufgrund einer geänderten Durchfahrtshöhe gegen den Preismast einer Tankstelle, ohne dass der Fahrer die zu geringe Durchfahrtshöhe erkennen konnte, haftet das Müllentsorgungsunternehmen für den Schaden aus dem Anprall zu 20% aus bloßer Betriebsgefahr. Entfernt der Fahrer dann das Müllfahrzeug, das den beschädigten Mast stützte, und stürzt der Mast anschließend nach einem fehlgeschlagenen Rettungsversuch eines dritten Lkw-Fahrers um, haftet das Müllentsorgungsunternehmen für den Mehrschaden zu 1/3. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit rechtskräftigem Urteil vom 24.01.2017 entschieden. Allerdings hafte die Tankstellenbetreiberin überwiegend selbst, da sie auf die geänderte Durchfahrtshöhe hätte hinweisen müssen (Az.: 9 U 54/15, BeckRS 2017, 107225).

Von Müllfahrzeug beschädigter Tankstellenpreismast stürzt nach Rettungsversuch durch Dritten um

Die Klägerin ließ 2010 auf dem Gelände einer von ihr betriebenen Tankstelle einen Preismast errichten. Dieser ragte mit einer Durchfahrtshöhe von nur 3,825 Metern in eine zuvor unbeschränkt befahrbare Zufahrt. Die Zufahrt nutzten die Müllfahrzeuge des beklagten Reinigungsunternehmens, um zu den zu leerenden Müllbehältern auf dem Tankstellengelände zu gelangen. Im Juli 2010 beschädigte ein - für die Durchfahrtshöhe wenige Zentimeter zu hohes - Müllfahrzeug den neu errichteten, aber noch nicht vollständig einbetonierten Preismast, als es unter dem Mast durchfuhr. Der infolge der Beschädigung schrägstehende Preismast stürzte um, nachdem der Fahrer das Müllfahrzeug, das den Mast nunmehr stützte, vom Schadensort entfernt und ein zuvor unbeteiligter Fahrer eines Schwerlastfahrzeugs - unfachmännisch - versucht hatte, den Mast wieder gerade aufzurichten. Vor dem Unfall hatte die Klägerin weder die Beklagte noch ihren Fahrer auf die Durchfahrtshöhe des neuen Preismastes hingewiesen.

LG wies Klage ab

Durch den Anprall des Müllfahrzeugs entstand ein Schaden von etwa 13.500 Euro an dem Preismast, der sich durch den Umsturz des Mastes auf circa 33.100 Euro erhöhte. Unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr des Müllfahrzeugs zahlte der Haftpflichtversicherer der Beklagten zur Schadensregulierung außergerichtlich etwa 4.500 Euro. Den restlichen Schaden machte die Klägerin klageweise geltend. Das Landgericht wies die Klage ab. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein.

OLG: Mangels Erkennbarkeit der zu geringen Durchfahrtshöhe bloße Haftung aus Betriebsgefahr für Schaden aus Anprall

Die Berufung war teilweise erfolgreich. Das OLG hat der Schadensersatzklage in Höhe von weiteren etwa 5.200 Euro stattgegeben. Die Beklagte hafte aufgrund der Betriebsgefahr ihres Müllfahrzeugs zu 20% für den durch den Anprall des Fahrzeugs an dem Preismast entstandenen Schaden. Insoweit sei ihrem - im Prozess mitverklagten - Fahrer kein Verschulden anzulasten, weil er die zu geringe Durchfahrtshöhe auch bei einer besonders vorsichtigen Fahrweise nicht zuverlässig habe abschätzen können. Zudem sei er auf der üblichen, vor dem Aufstellen des Mastes gefahrlos zu passierenden Wegstrecke zu den Müllcontainern gefahren. Auf die geringe Durchfahrtshöhe des neuen Preismastes habe die Klägerin weder die Beklagte noch ihren Fahrer hingewiesen.

1/3-Haftung für Mehrschaden aus Umsturz des Mastes

Laut OLG hat der Fahrer den Schaden allerdings vergrößert, indem er das Müllfahrzeug weggesetzt habe, ohne dass der beschädigte, schrägstehende Preismast zuvor abgesichert oder abgestützt worden sei. Der sich anschließende, unfachmännische Rettungsversuch des Fahrers des Schwerlastfahrzeugs sei in der Situation vorhersehbar gewesen und der Beklagten daher haftungsrechtlich zuzurechnen. Das weitere, zum Umsturz des Mastes führende Geschehen rechtfertige eine Haftungsquote von einem Drittel zulasten der Beklagten.

Klägerin hätte auf geringe Durchfahrtshöhe hinweisen müssen

Für den Schaden sei die Klägerin allerdings überwiegend selbst verantwortlich, so das OLG weiter. Sie habe die ihr obliegenden Sicherungspflichten verletzt, weil sie den Lkw-Verkehr auf ihrem Grundstück bei der Planung und Errichtung des neuen Preismastes nicht ausreichend berücksichtigt hatte. Im Unterschied zur Warnbeschilderung an anderen Stellen des Tankstellengeländes habe die Klägerin im Bereich des neuen Preismastes zudem kein Warnschild angebracht, um auf die Durchfahrtshöhe hinzuweisen. Außerdem hätte sie die Befestigung des Mastes zügig fertigstellen oder den noch nicht ausreichend befestigten Mast durch eine Absperrung oder einen Abspannung abzusichern müssen.

OLG Hamm, Urteil vom 24.01.2017 - 9 U 54/15

Redaktion beck-aktuell, 28. April 2017.