OLG Hamm: 250.000 Euro Schmerzensgeld für Kind nach ärztlichen Behandlungsfehlern bei Geburt

Das Oberlandesgericht Hamm hat einem Kind ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 Euro zugesprochen, das 2007 nach einer aufgrund grober ärztlicher Behandlungsfehler verspätet durchgeführten Sectio (Kaiserschnitt) mit schweren hypoxischen Hirnschäden geboren wurde und deswegen dauerhaft unter schweren Entwicklungsstörungen zu leiden hat (Urteil vom 04.04.2017, Az.: 26 U 88/16, BeckRS 2017, 108821).

Sectio mit schwerwiegenden Folgen für Kind

Das OLG bestätigte damit weitgehend ein erstinstanzliches Urteil des Landgerichts Paderborn. Der heute neun Jahre alte Kläger aus dem Kreis Höxter wurde im Oktober 2007 im beklagten Krankenhaus in Paderborn unter geburtshilflicher Betreuung zweier mitverklagter Ärzte geboren. Nach einem mehrstündigen Aufenthalt im Kreißsaal, in dem die Kindesmutter und das ungeborene Kind zeitweise durch eine Cardiotocographie (CTG) überwacht wurden, entschlossen sich die Ärzte zu einer Sectio (Kaiserschnitt). Der Kläger wurde mit einer Nabelschnurumschlingung entbunden und zeigte in seiner weiteren Entwicklung die Folgen einer hypoxischen Hirnschädigung. Er leidet heute an einer allgemeinen Entwicklungsstörung, die seinen Intellekt, seine Sprache und seine motorischen Fähigkeiten dauerhaft einschränkt, außerdem an einer Epilepsie.

OLG erhöht Schmerzensgeldsumme

Vertreten durch seine Eltern nahm das Kind das  Krankenhaus und die beiden Ärzte auf Schadensersatz in Anspruch, insbesondere auf Zahlung eines Schmerzensgeldes. Die Schadensersatzklage war in beiden Instanzen erfolgreich. Das bereits vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld von 175.000 Euro hat der sachverständig beratene 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm nun auf 250.000 Euro erhöht. Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes seien insbesondere die gravierenden gesundheitlichen Nachteile zu berücksichtigen, die der Kläger erlitten habe. Der Kläger werde in seiner Entwicklung allenfalls die Stufe eines sieben- bis achtjährigen Kindes erreichen, nie allein leben können und später voraussichtlich auch feststellen, dass er gegenüber anderen Menschen ein geistiges Defizit habe, was nach Einschätzung des Sachverständigen zu einem besonderen Leidensdruck führen werde.

Ärzten waren mehrere Behandlungsfehler unterlaufen

Den beklagten Ärzten seien, so der Senat, bei der geburtshilflichen Betreuung der Mutter des Klägers mehrere grobe Behandlungsfehler unterlaufen. Sie hätten es behandlungsfehlerhaft unterlassen, das Geburtsgeschehen mittels einer Dauer-CTG zu überwachen. Bereits das erste CTG sei als pathologisch zu bewerten gewesen und habe für eine Sectio gesprochen. Ab dem zweiten pathologischen CTG hätten die Ärzte für eine ständige ärztliche Präsenz mit einer halbstündigen Kontrolle Sorge tragen müssen. Dann wäre die Indikation für die Sectio früher gestellt worden. Zudem sei die dann später vorgenommene Sectio nicht als Not-Sectio ausgeführt worden, was wegen der bereits vorliegenden pathologischen CTG-Befunde aber geboten gewesen sei, so das OLG weiter. Die Behandlungsfehler seien als grob zu bewerten, so dass die Beklagten in vollem Umfang für die beim Kläger aufgetretenen Schäden zu haften hätten. Dem Kläger komme insoweit eine Beweislastumkehr zugute.

OLG Hamm, Urteil vom 04.04.2017 - 26 U 88/16

Redaktion beck-aktuell, 18. Mai 2017.