Mehrere Landtagsfraktionen und Landkreise hatten Normenkontrolle beantragt
Die Urteile ergingen in einem abstrakten Normenkontrollverfahren der Fraktionen von CDU, FDP und der Piraten im Schleswig-Holsteinischen Landtag (Az.: LVerfG 4/15) sowie in einem Verfahren über die kommunale Verfassungsbeschwerde der Kreise Nordfriesland, Ostholstein und Schleswig-Flensburg (Az.: LVerfG 5/15). Zentraler Streitpunkt in beiden Verfahren war die Frage, ob die in § 3 FAG 2014 bestimmte Gesamthöhe des Finanzausgleichs (die Finanzausgleichsmasse) zutreffend ermittelt wurde und für die kommunalen Aufgabenträger auskömmlich ist. Außerdem wurden in beiden Verfahren Einwände gegen die Verteilung der Finanzausgleichsmasse auf die verschiedenen Gruppen kommunaler Aufgabenträger (Kreise, kreisangehörige Städte und Gemeinden sowie kreisfreie Städte) erhoben (§§ 4 ff. FAG 2014).
Mehrere voneinander unabhängige Gewährleistungen in Bezug auf kommunalen Finanzausgleich
Das LVerfG stellt fest, dass die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein (LV) im Hinblick auf den kommunalen Finanzausgleich mehrere voneinander unabhängige Gewährleistungen enthält. Zum einen sei in Art. 57 Abs. 1 LV das Gebot der Verteilungssymmetrie normiert. Dieses enthalte einen an die Höhe der allgemeinen Finanzausstattung des Landes gekoppelten kommunalen Anspruch auf gerechte und gleichmäßige Verteilung der im Land insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel auf die kommunale Ebene einerseits und die Landesebene andererseits. Zum anderen werde durch Art. 54 Abs. 1 LV die kommunale Mindestausstattung gewährleistet. Den Kommunen müssten gemäß Art. 54 Abs. 1 LV Mittel in einem Umfang zur Verfügung stehen, die es ihnen ermöglichen, neben den Pflichtaufgaben noch ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu erledigen. Zudem ergäben sich aus Art. 57 Abs. 1 LV Anforderungen an die Verteilung der zur Verfügung gestellten Finanzausgleichsmasse. Dies seien das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung, das Gebot der Systemgerechtigkeit, das Nivellierungs- beziehungsweise Übernivellierungsverbot sowie das Gebot der Aufgabengerechtigkeit.
Bedarfe der kommunalen Ebene und der Landesebene in Ausgleich zu bringen
Hieran anknüpfend kommt das LVerfG im Verfahren über die abstrakte Normenkontrolle der Fraktionen (Az.: LVerfG 4/15) zu dem Ergebnis, dass die in § 3 FAG 2014 enthaltenen Regelungen über die Höhe der Finanzausgleichsmasse nicht im Einklang mit den Vorgaben aus Art. 57 Abs. 1 LV stehen. Zwar habe der Gesetzgeber bei der gerechten Verteilung der finanziellen Mittel zwischen Land und Kommunen nach dem Symmetriegebot einen weiten Einschätzungsspielraum. Auch lege Art. 57 Abs. 1 LV den Gesetzgeber nicht auf ein bestimmtes methodisches Vorgehen bei der Ermittlung der angemessenen Finanzausgleichsmasse für die Kommunen fest. Sein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum finde seine Grenzen jedoch in dem Gebot eines zumindest bedarfsorientierten Vorgehens. Erforderlich sei, dass der Gesetzgeber sich mit der gewählten Methodik den tatsächlichen Bedarfen der kommunalen Ebene einerseits und der Landesebene andererseits substantiell annähert. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich nicht, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ein diesen Anforderungen genügender bedarfsorientierter Ebenenvergleich im Hinblick auf die Bildung der Finanzausgleichsmasse durchgeführt wurde.
Erhebungen zu etwaigen Kosten der Aufgabenerfüllung fehlen
Dem Grundansatz nach nicht zu beanstanden sei hingegen die in § 4 FAG 2014 vorgenommene Verteilung der Finanzausgleichsmasse auf die verschiedenen Gruppen kommunaler Aufgabenträger. Den von den Antragstellerinnen behaupteten Verstoß gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot sieht das LVerfG insoweit nicht. Auch die in dem Gesetz vorgesehene besondere Berücksichtigung zentralörtlicher Funktionen – von der insbesondere die großen kreisfreien Städte sowie die Mittelstädte profitieren – sei entgegen dem Vorbringen der Antragstellerinnen zulässig. Es fehle jedoch auch für die Aufteilung der Gesamtmasse auf die verschiedenen Gruppen kommunaler Aufgabenträger an einer den Verfassungsvorgaben genügenden bedarfsorientierten Sachverhaltsermittlung. Zudem mangele es an substantiellen Erhebungen zu etwaigen Kosten der Aufgabenerfüllung – insbesondere durch die Kreise – auf großer Fläche oder in Insellagen. Auf die Berücksichtigung derartiger Kosten könne der Gesetzgeber nur dann verzichten, wenn er hierfür nachvollziehbare Gründe festgestellt und dokumentiert hat. Dies sei im Gesetzgebungsverfahren nicht hinreichend erfolgt.
Angriffe im Hinblick auf § 7 FAG 2014 größtenteils nicht berechtigt
Im Hinblick auf § 7 FAG 2014 greift laut LVerfG eine Reihe von Angriffen nicht durch. Insbesondere bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzgeberische Verwendung sogenannter fiktiver Hebesätze in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014. Mit diesen werde die finanzielle Leistungskraft der einzelnen Kommunen anhand von durchschnittlich erzielbaren Steuereinnahmen anstatt der realen Steuereinnahmen bemessen. Das Land dürfe durch dieses Vorgehen verhindern, dass sich eine Gemeinde durch besonders niedrige Hebesätze selbst "bedürftig macht", um entweder Leistungen aus Landesmitteln zu erhalten oder einer Umlage zu entgehen. Es bestehe entgegen dem Vortrag der Antragstellerinnen auch keine verfassungsrechtlich unterlegte Pflicht des Gesetzgebers, bei der Ausbildung dieser fiktiven Sätze nach weiteren Kriterien (etwa Lage oder Größe der Kommunen) zu differenzieren. Nicht nachvollziehbar – weil an keiner Stelle im Gesetzgebungsverfahren begründet – sei allerdings die festgeschriebene Ermittlung der durchschnittlichen Hebesätze auf der Grundlage der tatsächlichen Hebesätze des kreisangehörigen Bereiches, während die tatsächlichen Hebesätze des kreisfreien Raumes vollständig unberücksichtigt bleiben sollen. Lediglich aus diesem Grund sei § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 als verfassungswidrig eingestuft worden.
Keine Bedenken gegen Soziallastenparameter
Durch die Einführung des in § 9 FAG 2014 enthaltenen Soziallastenparameters, durch den die den einzelnen Kommunen zustehenden Zuweisungen in erheblichem Umfang an die Zahl von Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II in ihrem Gebiet geknüpft werden, werde Art. 57 Abs. 1 LV nicht verletzt, fährt das LVerfG fort. Durchgreifende Bedenken bestünden weder gegen die Einführung eines solchen Parameters für Soziallasten an sich noch gegen dessen Gewichtung. Insbesondere würden hierdurch die Kreise nicht im Verhältnis zu den kreisfreien Städten benachteiligt. Allerdings fehle es im Hinblick auf § 9 Abs. 1 FAG 2014 an substantiellen Erhebungen zu etwaig rauminduzierten Kosten der Aufgabenerfüllung, so dass auch insoweit die Verfassungswidrigkeit auszusprechen gewesen sei. Die in § 10 FAG 2014 geregelte Verteilung der Teilschlüsselmasse auf die verschiedenen Kategorien Zentraler Orte genügt laut LVerfG den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Verfassungsbeschwerde der Kreise überwiegend unzulässig
Im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Kreise (Az.: LVerfG 5/15) stellt das LVerfG zunächst fest, dass diese überwiegend unzulässig ist. Soweit die Kreise eine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV durch das Finanzausgleichsgesetz 2014 geltend machen wollen, müssten sie nachvollziehbar darlegen, inwieweit die jeweils angegriffene Norm das Symmetriegebot zu ihren Lasten verletzt. Dies hätten die Beschwerdeführer nicht im erforderlichen Maß getan. Vergleichbares gelte für die Geltendmachung einer Verletzung des Anspruchs auf finanzielle Mindestausstattung aus Art. 54 Abs. 1 LV. Auch hier müssten die Beschwerdeführer substantiell darlegen, dass gerade sie infolge des angegriffenen Gesetzes die ihnen obliegenden Aufgaben nicht im erforderlichen Mindestmaß erfüllen können. Auch dies sei nicht erfolgt. Als zulässig erweise sich die Beschwerde damit nur im Hinblick auf die Bestimmungen über die Verteilung der Finanzausgleichsmittel gemäß den §§ 5 ff. FAG 2014 unter dem Gesichtspunkt des als verletzt gerügten interkommunalen Gleichbehandlungsgebotes. Nur insoweit habe die Verfassungsbeschwerde Anlass zur inhaltlichen Überprüfung des Finanzausgleichsgesetzes 2014 gegeben, welches aus den vorgenannten Gründen zur Unvereinbarkeitserklärung bezüglich § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 9 Abs. 1 FAG 2014 führte. Beide Urteile sind einstimmig ergangen.