LG München I: Knobloch unterliegt im Streit um Antisemitismus-Vorwurf

Charlotte Knobloch darf den Publizisten Abraham Melzer nicht mehr als für seine "antisemitischen Äußerungen regelrecht berüchtigt" bezeichnen. Mit Endurteil des Landgerichts München I vom 30.11.2016 wurde der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes strafbewehrt eine entsprechende Äußerung untersagt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig (Az.: 25 O 17754/16).

Kritik zu bestimmten Aspekten der Politik des Staates Israel

Der Verfügungskläger, der selbst Jude ist und als Sohn von Holocaust-Flüchtlingen in Israel aufwuchs, gründete im Jahr 1988 die politische Zeitschrift Semit, welche mittlerweile im Internet unter dem Titel "Der Semit - die andere jüdische Stimme" erscheint. In dieser setzt er sich neben anderen Autoren mit gesellschaftlichen und politischen Themen und insbesondere dem Nahostkonflikt auseinander. Der Verfügungskläger äußerte sich hierbei immer wieder kritisch zu bestimmten Aspekten der Politik des Staates Israel. Die Verfügungsbeklagte ist Holocaust-Überlebende. Seit 1985 ist sie Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, von 2005 - 2013 war sie Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses, von 2003 - 2010 Vizepräsidentin des Europäischen Jüdischen Kongresses und von 2006 - 2010 Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Sie setzt sich öffentlich für den Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus ein, vor allem auch gegen antisemitisch motivierten Hass gegen den jüdischen Staat Israel.

Veranstaltung nach E-Mail abgesagt

Die streitgegenständliche und vom Verfügungskläger im Weg des einstweiligen Rechtsschutzes angegriffene Äußerung "Abraham Melzer ist für seine antisemitischen Äußerungen regelrecht berüchtigt." ist in einer E-Mail der Verfügungsbeklagten enthalten, die diese am Vormittag des 23.09.2016 an den Vorsitzenden des katholischen KKV Hansa München gesandt hat. Hintergrund dieser E-Mail war eine von dem Verein Salam Shalom Arbeitskreis Palästina-Israel für den 23.09.2016 geplante Veranstaltung, bei der der Verfügungskläger einen Vortrag mit dem Titel "Antisemitismus heute" halten sollte. Diese Vortragsveranstaltung sollte in den Räumlichkeiten des katholischen KKV Hansa München stattfinden, tat es aber letztlich nicht. Die Parteien streiten vor dem geschilderten Hintergrund darüber, ob die Verfügungsbeklagte die streitgegenständliche Äußerung in ihrer E-Mail vom 23.09.2016 zulässigerweise tätigen durfte beziehungsweise ob der Verfügungsbeklagten diese Äußerung zu untersagen ist.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt

Das Gericht kam jetzt zu dem Ergebnis, dass die streitgegenständliche Äußerung den Verfügungskläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und er daher gemäß §§ 1004 analog, 823 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Unterlassung gegenüber der Verfügungsbeklagten hat. Das Gericht wog in seiner Entscheidung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers aus Art. 1, 2 GG und dem Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 GG auf Seiten der Verfügungsbeklagten ab. Bei dieser Abwägung kam das Gericht auf der Grundlage des Sachvortrages der Parteien zu dem Ergebnis, dass das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers überwiegt.

Keine allgemeine Aussage zur Einstellung des Verfügungsklägers

Maßgeblich sei hierbei insbesondere die Frage gewesen, ob die Verfügungsbeklagte ausreichende Anhaltspunkte und Anknüpfungstatsachen dafür vorgetragen hat, dass der Verfügungskläger für Äußerungen verrufen oder bekannt ist, aus denen sich eine antisemitische Überzeugung oder Einstellung entnehmen lässt. Für die Entscheidung des Gerichts kam es also darauf an, ob die Verfügungsbeklagte in diesem Zivilverfahren ausreichende Gesichtspunkte dafür nennen konnte, dass und wie sie gerechtfertigter Weise zu ihrer Bewertung gekommen ist. Das Endurteil vom 30.11.2016 trifft folglich keine allgemeine Aussage dazu, ob der Verfügungskläger antisemitisch oder nicht antisemitisch ist.

Zwei der drei relevanten Äußerungen erfolgten erst nach streitiger E-Mail

Zwar konnte die Verfügungsbeklagte im Rahmen dieses Zivilstreits drei verschiedene Äußerungen des Verfügungsklägers benennen, die die Verfügungsbeklagte nach Ansicht des Gerichts als antisemitisch beurteilen durfte. Dies war jedoch zur Überzeugung des Gerichts nicht dafür ausreichend, dass die Verfügungsbeklagte berechtigterweise zu ihrer Bewertung gekommen ist. Hierbei habe unter anderem Berücksichtigung gefunden, dass zwei dieser drei Äußerungen zeitlich erst nach der E-Mail vom 23.09.2016, mit der die Verfügungsbeklagte die streitgegenständliche Äußerung getätigt hat, liegen und erkennbar auf die streitgegenständliche Äußerung der Verfügungsbeklagten reagieren. Weiter sei einbezogen worden, dass die dritte Äußerung bereits in einem Artikel des Verfügungsklägers aus dem Jahr 2009 enthalten ist.

LG München I, Urteil vom 30.11.2016 - 25 O 17754/16

Redaktion beck-aktuell, 2. Dezember 2016.