FG Münster: Verzögerungsgeld darf nicht aufgrund generalpräventiver Aspekte festgesetzt werden

Die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO wegen Nichteinräumung eines Datenzugriffs ist ermessensfehlerhaft, wenn sie gegenüber einem Rechtsanwalt wegen der von ihm betreuten steuerlichen Mandate mit einer potentiellen Wiederholungsgefahr begründet wird. Denn allein Verzögerungen beim Steuerpflichtigen selbst dürften berücksichtigt werden, nicht aber generalpräventive Aspekte, so das Finanzgericht Münster in einem Urteil vom 08.02.2019 (Az.: 4 K 590/17 AO, BeckRS 2019, 3363).

Prüfer hob erste Datenanforderungen nach Anfechtung auf

Das Finanzamt ordnete beim Kläger, der als Rechtsanwalt und Notar auch steuerliche Mandate betreut, eine Außenprüfung an. Nachdem sich der Kläger erfolglos gegen die Prüfungsanordnung und andere damit verbundene Einzelmaßnahmen gewehrt hatte, versuchte der Prüfer mehrfach vergeblich, mit dem Kläger Termine abzustimmen, um die Prüfung fortzusetzen. Mehrere Anforderungen des Prüfers, Buchführungsunterlagen in digitaler Form vorzulegen, hob er nach Anfechtung durch den Kläger wieder auf. Gegen eine weitere Aufforderung zur Vorlage von Daten legte der Kläger ebenfalls Einspruch ein und stellte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.

Verzögerungsgeld ohne Entscheidung über letzten Einspruch verhängt

Ohne hierüber entschieden zu haben, setzte das Finanzamt zwei Wochen nach Fristablauf wegen der Nichteinräumung des Datenzugriffs ein Verzögerungsgeld in Höhe von 4.000 Euro gegen den Kläger fest. Hierbei stützte es sich im Wesentlichen darauf, dass beim Kläger eine potentielle Wiederholungsgefahr in Bezug auf die von ihm betreuten steuerlichen Mandate vorliege, der Kläger sich hartnäckig geweigert habe, die digitalen Daten vorzulegen und er die Gründe für die Verzögerung nicht ausreichend entschuldigt habe.

FG Münster: Wegen Berücksichtigung generalpräventiver Aspekte Ermessen fehlerhaft ausgeübt

Die hiergegen erhobene Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Das Finanzamt habe sein Entschließungsermessen fehlerhaft ausgeübt, meint das FG Münster. Die angenommene potentielle Wiederholungsgefahr wegen der Betreuung steuerlicher Mandate als Rechtsanwalt und Notar stelle eine sachfremde Erwägung dar, die mit dem Zweck des Verzögerungsgeldes nicht vereinbar sei. Vielmehr komme es ausschließlich auf Verzögerungen beim betroffenen Steuerpflichtigen, nicht aber auf generalpräventive Aspekte an.

Keine hartnäckigen Pflichtverletzungen des Anwalts ersichtlich

Das Finanzamt habe auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass es noch gar nicht über den Aussetzungsantrag zur Datenüberlassung entschieden hatte. Da solche Anträge unverzüglich zu bearbeiten seien, habe es Ermessenserwägungen dazu anstellen müssen, warum auf die Datenanforderung vor der Entscheidung weitere belastende Maßnahmen wie das Verzögerungsgeld gestützt werden. In Bezug auf die vom Finanzamt als gewichtig und hartnäckig gewerteten Pflichtverletzungen des Klägers habe das Finanzamt nicht in seine Ermessenerwägungen einbezogen, dass der Prüfer jede seiner früheren Datenanforderungen aufgehoben hatte. Der seit der einzigen noch bestehenden Anforderung vergangene Zeitraum von lediglich zwei Wochen, der letztlich für die Festsetzung des Verzögerungsgelds entscheidend war, könne gerade nicht als hartnäckig bezeichnet werden. Schließlich habe das Finanzamt nicht beachtet, dass das Fehlen von Entschuldigungsgründen nicht zu einer Vorprägung des Entschließungsermessens führe.

FG Münster, Urteil vom 08.02.2019 - 4 K 590/17 AO

Redaktion beck-aktuell, 18. März 2019.