FG Hamburg: Allgemeine Aufzeichnungspflichten gelten auch für gewerbliche Prostitution

Bei der Ermittlung des gewerblichen Gewinns aus Eigenprostitution durch Einnahme-Überschussrechnung kann nicht auf die Aufzeichnung der einzelnen Geschäftsvorfälle verzichtet werden. Das hat das Finanzgericht Hamburg in einem jetzt veröffentlichten, noch nicht rechtskräftigen Urteil entschieden und die Klage einer Prostituierten gegen den Schätzungsbescheid des Finanzamtes abgewiesen (Urteil vom 16.11.2016, Az.: 2 K 110/5, in BeckRS 2017, 94231).

Finanzamt erließ Schätzungsbescheide

Die Klägerin übte ihre Tätigkeit als Prostituierte in einem sogenannten Laufhaus aus. Nachdem die Steuerfahndung die Klägerin, die bis dahin keine Steuererklärungen abgeben hatte, dort angetroffen hatte, erließ das Finanzamt gegenüber der Klägerin Schätzungsbescheide zur Einkommen- sowie Umsatzsteuer und zum Gewerbemessbetrag. Die Klägerin erhob Einspruch und reichte Einnahmeüberschussrechnungen und Steuererklärungen mit deutlich geringeren Umsätzen und Gewinnen ein. Als das Finanzamt gleichwohl an seiner Schätzungsbefugnis festhielt und seine Schätzungen lediglich in geringem Umfang reduzierte, wandte sich die Klägerin an das Finanzgericht, allerdings ohne Erfolg.

FG: Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten gelten auch für gewerbliche Prostitution

Die für Gewerbebetriebe geltenden Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten erstrecken sich nach der Entscheidung des FG auch auf die gewerbliche Prostitution. Das Argument, eine individuelle Quittierung der erbrachten Leistungen und deren Entlohnung sei wegen der branchenspezifischen Besonderheiten dieses speziellen Gewerbes nicht praktikabel, ließ der Senat nicht gelten.

Keine Befreiung wie bei Bargeschäften im Einzelhandel möglich

Die Befreiung von der Einzelaufzeichnungspflicht, wie sie bei Bargeschäften im Einzelhandel anerkannt wird, sei nicht auf die gewerbliche Prostitution zu übertragen, so das FG weiter. Anders als im Einzelhandel sei bei der Prostitution der Kreis der Kunden begrenzt und individuell bestimmt. Ob im Rahmen der Aufzeichnungen auch die Identität der Kunden festgehalten werden müsse, konnte der Senat deswegen offen lassen, weil er schon die Mindestanforderungen an die Aufzeichnung der einzelnen Leistungen und Bareinnahmen durch die Klägerin als nicht erfüllt angesehen hat.

Höhe der Schätzung nicht zu beanstanden

Der Senat machte in seinem Urteil grundsätzliche Anmerkungen zur Schätzung. Danach seien laut Gericht die vom Finanzamt zugrunde gelegten Daten – Anzahl der Arbeitstage (20), der anzunehmenden Anzahl der Freier pro Tag (5), der Einnahmen pro Freier (130 Euro in den Streitjahren 2007 und 2008 bzw. 160 Euro in den Folgejahren) und der Betriebsausgaben im Rahmen einer Zimmermiete in einem Laufhaus (120 Euro bzw. 140 Euro pro Tag) – eher moderat und daher nicht zu beanstanden sind.

FG Hamburg, Urteil vom 16.11.2016 - 2 K 110/15

Redaktion beck-aktuell, 11. April 2017.