EuGH-Generalanwalt: Uber-Fahrdienst unterliegt als "Verkehrsdienstleistung" der mitgliedstaatlichen Reglementierung

Der Fahrdienst Uber ist nach Ansicht des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof Maciej Szpunar dem Verkehrssektor zuzuordnen und kann daher von den EU-Staaten reglementiert werden. Dies geht aus seinen Schlussanträgen vom 11.05.2017 hervor. Uber betreibe einen Personennahverkehr auf Abruf, für den die EU-Staaten die nach nationalem Recht erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen verlangen könnten (Az.: C-434/15).

Uber-Fahrdienst mittels elektronischer Plattform und App

Uber ist eine elektronische Plattform, über die durch den Einsatz eines mit der Uber-App versehenen Smartphones in den Städten, in denen Uber präsent ist, eine Dienstleistung des Personennahverkehrs bestellt werden kann. Die App erkennt den Standort des Nutzers und findet ortsnah verfügbare Fahrer. Nimmt ein Fahrer die Fahrt an, teilt die App dies dem Nutzer mit, wobei das Profil des Fahrers und der geschätzte Preis für die Fahrt zu dem vom Nutzer genannten Ziel angegeben werden. Am Ende der Fahrt wird der Fahrpreis automatisch von der Kreditkarte abgebucht, deren Daten der Nutzer bei seiner Anmeldung zur App angeben muss. Die App enthält auch eine Bewertungsfunktion: Die Fahrer können von den Fahrgästen bewertet werden und umgekehrt. Durchschnittsnoten unterhalb eines bestimmten Schwellenwerts können zum Ausschluss von der Plattform führen. Im Rahmen des Dienstes „UberPop“ befördern Privatleute, die keine Berufskraftfahrer sind, in ihren eigenen Autos die Fahrgäste.

Spanischer Taxifahrerverband moniert fehlende Genehmigungen bei UberPop-Diensten

2014 erhob die Asociación Profesional Elite Taxi (im Folgenden: Elite Taxi), eine berufsständische Vereinigung von Taxifahrern in Barcelona, vor einem spanischen Handelsgericht (Juzgado Mercantil n° 3 de Barcelona) Klage gegen die spanische Gesellschaft Uber Systems Spain SL (im Folgenden: Uber Spain) wegen unlauteren Wettbewerbs gegenüber den Fahrern von Elite Taxi. Elite Taxi macht insbesondere geltend, Uber Spain sei nicht befugt, in Barcelona die Dienstleistung UberPop zu erbringen, weil weder Uber Spain noch die Halter der fraglichen Kraftfahrzeuge oder deren Fahrer über die in der Taxi-Verordnung der Stadt Barcelona vorgeschriebenen Lizenzen und Genehmigungen verfügten. Das Handelsgericht hat den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren angerufen und diesem mehrere Fragen nach der Beurteilung der Tätigkeit von Uber anhand des EU-Rechts sowie nach den aus dieser Beurteilung zu ziehenden Konsequenzen gestellt.

Unterliegt Uber-Plattform der Dienstleistungsfreiheit oder gehört sie zum national geregelten Verkehrssektor?

Der Generalanwalt Maciej Szpunar arbeitet als zu klärende Frage heraus, ob für die von der Plattform Uber angebotenen Leistungen als "Dienste der Informationsgesellschaft" der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs gilt oder ob sie zu dem im Recht der Mitgliedstaaten geregelten Verkehrssektor gehören. Im erstgenannten Fall könnten die in der Taxi-Verordnung von Barcelona für den Betrieb von Uber vorgeschriebenen Lizenzen und Genehmigungen mit dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs unvereinbar sein, während es den Mitgliedstaaten im letztgenannten Fall grundsätzlich freistünde, die Tätigkeit von Uber zu reglementieren.

Uber-Dienst ist gemischter Dienst

Nach Szpunars Ansicht fällt der Uber-Dienst nicht unter die Dienstleistungsfreiheit. Zwar handele es sich um einen gemischten Dienst (teils elektronisch, teils nicht elektronisch erbrachte Leistungen), der unter den Begriff "Dienste der Informationsgesellschaft" fallen könne. Voraussetzung dafür sei, dass die nicht elektronisch erbrachte Leistung von dem elektronisch erbrachten Dienst wirtschaftlich unabhängig sei (wie etwa bei Plattformen für den Kauf von Flugtickets oder die Buchung von Hotelzimmern) oder der Anbieter den gesamten Dienst erbringe beziehungsweise entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen ausübe, unter denen der nicht elektronische Dienstteil erbracht werde, so dass beide Dienste eine untrennbare Einheit bildeten, wobei das zentrale Element auf elektronischem Weg vollzogen werden müsse (wie etwa beim Online-Verkauf von Waren).

Kriterien für "Dienste der Informationsgesellschaft" nicht erfüllt

Der von Uber angebotene Dienst erfülle aber keine dieser beiden Voraussetzungen, so Szpunar. Die Fahrer, die im Rahmen der Uber-Plattform Beförderungen durchführten, übten keine eigenständige Tätigkeit aus, die unabhängig von der Plattform Bestand hätte. Diese Tätigkeit gebe es vielmehr nur dank der Plattform, ohne die sie bedeutungslos wäre. Uber kontrolliere auch die wirtschaftlich relevanten Faktoren der im Rahmen der Plattform angebotenen Beförderungsdienstleistung. Denn Uber lege die Bedingungen für den Zugang der Fahrer zu der Tätigkeit und für deren Ausübung fest, belohne Fahrer, die eine große Zahl von Fahrten durchführten, finanziell und informiere sie über Orte und Tageszeiten, die ihnen voraussichtlich zahlreiche Fahrten und/oder vorteilhafte Tarife verschafften (was Uber in die Lage versetze, ihr Angebot an die Nachfrageschwankungen anzupassen, ohne auf die Fahrer formell Druck auszuüben), kontrolliere – indirekt – die Qualität der von den Fahrern verrichteten Arbeit, was sogar zum Ausschluss der Fahrer von der Plattform führen könne, und lege de facto den Preis für den erbrachten Dienst fest. Alle diese Merkmale schlössen es aus, in Uber einen bloßen Vermittler zwischen Fahrern und Fahrgästen zu sehen. 

Beförderungsleistung stellt zentrale Leistung dar

Szpunar streicht außerdem heraus, dass die Beförderungsleistung im Rahmen des von der Plattform Uber angebotenen gemischten Dienstes die Hauptleistung darstelle, die dem Dienst seinen wirtschaftlichen Sinn verleihe. Die auf elektronischem Weg erbrachte, in der Herstellung des Kontakts zwischen Fahrgast und Fahrer bestehende Leistung habe daher im Verhältnis zur Beförderungsleistung weder eigenständigen noch zentralen Charakter. Aus diesem Grund könne der von Uber angebotene Dienst nicht als "Dienst der Informationsgesellschaft" eingestuft werden. Es handele sich vielmehr um die Organisation und den Betrieb eines umfassenden Systems des Personennahverkehrs auf Abruf. Uber biete auch keinen Mitfahrdienst an, denn der Zielort werde von den Fahrgästen bestimmt, und die Fahrer erhielten eine Bezahlung, die die bloße Erstattung der entstandenen Kosten bei Weitem übersteige.

Uber-Plattform gehört zum national geregelten Verkehrssektor

Wie Szpunar erläutert, folgt aus dieser Auslegung, dass für die Tätigkeit von Uber der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im Rahmen der „Dienste der Informationsgesellschaft“ nicht gilt und dass sie somit den Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats unterliegt, in dem sie nicht ansässig sind.

EuGH, Schlussanträge vom 11.05.2017 - C-434/15

Redaktion beck-aktuell, 11. Mai 2017.