EuGH-Generalanwalt: Luxuswarenhersteller darf Verkauf seiner Produkte auf Amazon und eBay verbieten

Ein Anbieter von Luxuswaren kann es seinen autorisierten Händlern verbieten, seine Waren auf Drittplattformen wie Amazon oder eBay zu verkaufen. Diese Auffassung vertritt zumindest Nils Wahl, Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof, in seinen Schlussanträgen vom 26.07.2017. Ein solches Verbot, das die Wahrung der luxuriösen Ausstrahlung der betreffenden Waren bezwecke, falle unter bestimmten Bedingungen nicht unter das Kartellverbot, da es geeignet sei, den auf qualitativen Kriterien beruhenden Wettbewerb zu verbessern, betonte er (Az.: C-230/16).

Marken sollen auch im Internet-Geschäft luxuriöse Ausstrahlung behalten

Coty Germany ist einer der führenden Anbieter von Luxuskosmetik in Deutschland. Um die luxuriöse Ausstrahlung bestimmter von ihr angebotener Marken zu wahren, vertreibt sie diese im selektiven Vertrieb, also über autorisierte Händler. Die Ladengeschäfte dieser Händler müssen einige Anforderungen hinsichtlich Umgebung, Ausstattung und Einrichtung erfüllen. Die autorisierten Händler sind auch berechtigt, die Vertragswaren im Internet anzubieten und zu verkaufen. Hierzu sehen die Vertriebsverträge nach einer Überarbeitung im Jahr 2012 vor, dass dies nur unter der Bedingung gilt, dass das Internet-Geschäft als "elektronisches Schaufenster" des autorisierten Ladengeschäfts geführt wird und hierbei der Luxuscharakter der Produkte gewahrt bleibt. Außerdem ist es dem autorisierten Händler verboten, für den Verkauf der Vertragswaren im Internet nach außen erkennbar nicht autorisierte Drittunternehmen einzuschalten.

Streit um Vertrieb von Kosmetikprodukten über Amazon

Die Parfümerie Akzente vertreibt seit vielen Jahren als autorisierter Einzelhändler die Produkte von Coty Germany sowohl in ihren Ladengeschäften als auch im Internet. Der Internetverkauf erfolgt zum Teil über ihren eigenen Internet-Shop und zum Teil über die Plattform "amazon.de". Da Parfümerie Akzente den im Jahr 2012 eingeführten Änderungen des Vertriebsvertrags nicht zustimmte, erhob Coty Germany vor deutschen Gerichten Klage, um ihr zu untersagen, die Vertragswaren über die Plattform "amazon.de" zu vertreiben. In diesem Kontext fragte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Gerichtshof, ob das fragliche Verbot mit dem Wettbewerbsrecht der Union vereinbar ist.

Generalanwalt verweist auf Erfordernis dreier Kriterien

In seinen Schlussanträgen weist Wahl zunächst darauf hin, dass der EuGH bereits anerkannt hat, dass Luxuswaren in Anbetracht ihrer Eigenschaften und ihres Wesens die Einrichtung eines selektiven Vertriebssystems erfordern können, um ihre Qualität zu wahren und ihren richtigen Gebrauch zu gewährleisten. Nach geltender Rechtsprechung (BeckEuRS 1977, 60380) fielen selektive Vertriebssysteme, die – wie das System von Coty Germany – auf den Vertrieb von Luxus- und Prestigewaren gerichtet sind und primär der Sicherstellung eines "Luxusimages" der Waren dienen, nicht von vorneherein unter das Kartellverbot nach Art. 101 Abs. 1 AEUV, wenn sie drei Kriterien erfüllten: Erstens müsse die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgen, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden. Zweitens müsse die Natur des fraglichen Erzeugnisses einschließlich des Prestigeimages zur Wahrung seiner Qualität und zur Gewährleistung seines richtigen Gebrauchs einen selektiven Vertrieb erfordern. Drittens dürften die festgelegten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Der Generalanwalt wies die These zurück, wonach diese Rechtsprechung durch ein Urteil des Gerichtshofs aus dem Jahr 2011 (BB 2011, 2956) in Frage gestellt worden sei.

Auch Verbot der Einschaltung von Drittplattformen muss nicht unter Kartellverbot fallen

Konkret zu der streitigen Klausel, nach der Coty Germany ihren autorisierten Händlern verbietet, für Online-Verkäufe der Vertragswaren nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass auch eine solche Klausel nicht von vorneherein unter das Kartellverbot fällt, wenn sie erstens durch die Natur der Ware bedingt ist, zweitens einheitlich festgelegt und unterschiedslos angewandt wird und drittens nicht über das Erforderliche hinausgeht. Es werde letztlich Aufgabe des OLG sein, zu prüfen, ob dies der Fall sei. Nach Ansicht des Generalanwalts dürfte die streitige Klausel, vorbehaltlich der Prüfung durch das OLG, nicht unter das Kartellverbot fallen.

Wahrung des Luxusimages als Ziel

Was insbesondere die Legitimität dieser Klausel betreffe, sei das durch sie vorgesehene Verbot geeignet, den auf qualitativen Kriterien beruhenden Wettbewerb zu verbessern. Dieses Verbot könne nämlich das Luxusimage der betreffenden Waren in verschiedener Hinsicht wahren. Es gewährleiste nicht nur, dass diese Waren in einer Umgebung verkauft werden, die den von der Spitze des Vertriebsnetzes gestellten Qualitätsanforderungen entspricht, sondern erlaube es auch, sich gegen Phänomene des Parasitismus zu wappnen und zu verhindern, dass die vom Anbieter und anderen zugelassenen Händlern zur Verbesserung der Qualität und des Ansehens der betreffenden Waren unternommenen Investitionen und Anstrengungen anderen Unternehmen zugutekommen.

Vertrieb über eigene Internetseite bleibt möglich

Coty Germany habe keineswegs ein absolutes Verbot des Online-Verkaufs vorgesehen, sondern ihren autorisierten Händlern lediglich vorgeschrieben, die Vertragswaren nicht über Drittplattformen zu vermarkten, da diese nicht verpflichtet seien, die qualitativen Anforderungen zu erfüllen, die sie ihren autorisierten Händlern vorgebe. Die streitige Klausel erhalte den autorisierten Händlern in der Tat die Möglichkeit, die Vertragswaren über ihre eigenen Internetseiten zu vertreiben. Zudem verbiete sie es ihnen nicht, nach außen nicht erkennbar Drittplattformen für den Vertrieb der Vertragswaren zu nutzen.

Generalanwalt verneint wesentliche Beschränkung des Online-Verkaufs

Außerdem seien in diesem Stadium der Entwicklung des elektronischen Handels die eigenen Online-Verkaufsstellen der Vertriebshändler der bevorzugte Vertriebskanal im Internet. Daher lasse sich das an die autorisierten Händler gerichtete Verbot, nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, ungeachtet der zunehmenden Bedeutung dieser Plattformen bei der Vermarktung der Waren der Einzelhändler zum gegenwärtigen Stand der Entwicklung des elektronischen Handels nicht mit einem völligen Verbot oder einer wesentlichen Beschränkung des Verkaufs über das Internet vergleichen.

Kein Missverhältnis zum angestrebten Ziel

Was die Verhältnismäßigkeit betrifft, sind nach Auffassung des Generalanwalts keine Aspekte ersichtlich, die den Schluss zuließen, dass das streitige Verbot zum jetzigen Zeitpunkt allgemein als in einem Missverhältnis zum angestrebten Ziel stehend anzusehen wäre. Insbesondere könne die Einhaltung qualitativer Vorgaben, die im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems in legitimer Weise verlangt werden kann, nur wirksam gewährleistet werden, wenn die Umgebung des Internetverkaufs von autorisierten Händlern, die vertraglich an den Anbieter/die Spitze des Vertriebsnetzes gebunden sind, und nicht von einem Drittbetreiber, dessen Praktiken sich dem Einfluss des Anbieters entziehen, gestaltet wird.

Gruppenfreistellung wäre möglich

Für den Fall, dass entschieden werde, dass die streitigen Beschränkungen grundsätzlich unter das Kartellverbot fallen und zudem tatsächlich wettbewerbsbeschränkend sind, hat der Generalanwalt noch geprüft, ob sie geeignet sind, in den Genuss einer Freistellung, insbesondere einer Gruppenfreistellung gemäß der Verordnung Nr. 330/20105 zu kommen. Hierzu ist er der Auffassung, dass das streitige Verbot keine Kernbeschränkung im Sinne dieser Verordnung darstellt, so dass es nicht von vorneherein vom Rechtsvorteil einer Gruppenfreistellung ausgeschlossen ist. Bei dem streitigen Verbot handele es sich weder um eine Beschränkung der Kundengruppe des Einzelhändlers im Sinne von Art. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 330/2010 noch um eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher im Sinne von Art. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 330/2010.

EuGH, Schlussanträge vom 26.07.2017 - C-230/16

Redaktion beck-aktuell, 26. Juli 2017.