EuGH: EuG muss im Rechtsstreit um Milliardenbußgeld gegen Intel neu entscheiden

Der Europäische Gerichtshof hat das Urteil des Gerichts der Europäischen Union aufgehoben, mit dem dieses die von der Kommission gegen Intel wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung auf dem Markt für x86-Prozessoren verhängte Geldbuße in Höhe von 1,06 Milliarden Euro bestätigt hatte, und die Sache zurückverwiesen. Das EuG muss nun erneut prüfen, ob von Intel gewährte Treuerabatte geeignet waren, den Wettbewerb zu beschränken (Urteil vom 06.09.2017, Az.: C-413/14 P).

EU-Kommission verhängte Geldbuße von 1,06 Milliarden Euro gegen Intel

Die EU-Kommission verhängte gegen den amerikanischen Mikroprozessorhersteller Intel 2009 eine Geldbuße in Höhe von 1,06 Milliarden Euro. Intel habe seine beherrschende Stellung auf dem Weltmarkt für x86-Prozessoren von Oktober 2002 bis Dezember 2007 unter Verletzung der EU-Wettbewerbsregeln missbräuchlich ausgenutzt, indem das Unternehmen eine Strategie zum Marktausschluss des einzigen ernsthaften Wettbewerbers, der Advanced Micro Devices (AMD), umgesetzt habe.

Beherrschende Stellung auf x86-Prozessorenmarkt: 70% Marktanteil

Intel hatte laut Kommission eine beherrschende Stellung inne, weil sein Marktanteil ungefähr 70 % oder mehr betragen habe und es für die Wettbewerber wegen der Nichtamortisierbarkeit der Investitionen in Forschung und Entwicklung, gewerblichen Rechtsschutz und Produktionsanlagen äußerst schwierig gewesen sei, in den Markt einzutreten und sich dort zu behaupten. Die missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung sei durch mehrere Maßnahmen gekennzeichnet gewesen, die Intel gegenüber ihren Kunden (Computerherstellern) und dem europäischen Einzelhandelsunternehmen für Mikroelektronikgeräte Media-Saturn-Holding getroffen habe.

Kommission sah Wettbewerbsbeschränkung durch Treuerabatte

Intel habe vier führenden Computerherstellern (Dell, Lenovo, HP und NEC) Rabatte gewährt, die an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass sie alle oder nahezu alle x86-Prozessoren bei Intel kauften, so die Kommission weiter. Ebenso habe Intel Zahlungen an Media-Saturn geleistet, die an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass Media-Saturn nur Computer mit x86-Prozessoren von Intel verkaufe. Diese Rabatte und Zahlungen hätten die Treue dieser vier Hersteller und von Media-Saturn sichergestellt und dadurch die Fähigkeit der Wettbewerber von Intel, einen auf den Vorzügen ihrer x86-Prozessoren basierenden Wettbewerb zu führen, erheblich verringert. Das wettbewerbswidrige Verhalten von Intel habe mithin dazu beigetragen, die Wahlmöglichkeit der Verbraucher und die Anreize für Innovationen zu mindern. Die Kommission setzte die Höhe der gegen Intel verhängten Geldbuße anhand der Leitlinien von 2006 fest. Die Kommission gab Intel außerdem auf, die Zuwiderhandlung, falls nicht bereits geschehen, sofort abzustellen.

EuG bestätigte Geldbuße

Intel erhob beim EuG Klage, mit der das Unternehmen die Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung begehrte, zumindest aber eine erhebliche Herabsetzung der Geldbuße. Das EuG wies die Klage von Intel in vollem Umfang ab. Intel legte gegen die Entscheidung des EuG Rechtsmittel ein. Intel vertrat die Ansicht, dass es das Gericht unter anderem rechtsfehlerhaft unterlassen habe, die streitigen Rabatte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu prüfen.

EuGH verweist Sache an EuG zurück

Der EuGH hat das Urteil des Gerichts aufgehoben und die Sache an dieses zur Prüfung der Frage, ob die Treuerabatte geeignet waren, den Wettbewerb zu beschränken, zurückverwiesen. Das EuG habe sich dem Vorbringen der Kommission angeschlossen, wonach Treuerabatte, die ein Unternehmen in marktbeherrschender Stellung gewähre, bereits ihrer Art nach geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken, sodass eine Analyse sämtlicher Umstände und insbesondere die Durchführung eines AEC-Tests ("as efficient competitor test" = Test des ebenso leistungsfähigen Wettbewerbers) nicht erforderlich seien.

EuG hätte Vorbringen Intels zu AEC-Test prüfen müssen

Die Kommission habe aber trotzdem die Umstände des vorliegenden Falls genau geprüft, so der EuGH weiter. Daraus habe sie gefolgert, dass ein ebenso leistungsfähiger Wettbewerber Preise hätte anwenden müssen, die nicht rentabel gewesen wären. Deshalb habe sich die streitige Rabattpraxis dahin auswirken können, dass der Wettbewerber verdrängt wird. Laut EuGH kam dem AEC-Test also für die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der Frage, ob die streitige Praxis geeignet war, Wettbewerber zu verdrängen, tatsächliche Bedeutung zu. Das EuG sei deshalb verpflichtet gewesen, das gesamte Vorbringen von Intel zu diesem Test (insbesondere zu den Fehlern, die die Kommission im Zusammenhang mit diesem Test begangen haben soll) zu prüfen. Dies habe das Gericht unterlassen. Es müsse die unterbliebene Prüfung nun nachholen.

EuGH, Urteil vom 06.09.2017 - C-413/14

Redaktion beck-aktuell, 6. September 2017.