China: Bauer studiert 16 Jahre lang Recht und siegt gegen Chemiewerk

Der chinesische Bauer Wang Enlin hat sich 16 Jahre lang selbst Recht und Gesetz beigebracht und so erfolgreich den großen Chemiekonzern Qihua verklagt. Nach dem Sieg vor Gericht im November 2016 wird in den nächsten Tagen über die Berufung der staatlichen Qihua-Gruppe entschieden, sagte Wang Enlin am 22.02.2017. Er sei sicher, dass er und die anderen Kläger - alles Bewohner eines kleines Dorfes - gewinnen werden, denn "die harten Fakten sprechen für uns".

Bauer gegen Chemiefirma

Der 65-Jährige, der nur drei Jahre zur Schule gegangen war, hatte seit 2001 Gesetzestexte studiert, um schließlich mit anderen Dorfbewohnern gegen die Umweltverschmutzung eines Chemiewerks der Firma Qihua zu klagen. Giftige Abwässer hatten 2001 die Felder seines Dorfes Yushutun vor den Toren von Qiqihar in der Provinz Heilongjiang im Nordosten Chinas überflutet. Seither konnte auf dem Land kein Ackerbau mehr betrieben werden. Als sich Wang Enlin über die Chemiefabrik beklagte, sagten ihm die Behörden, er müsse den Umweltschaden beweisen. Der Bauer fühlte sich im Recht, aber wusste nicht, welche Gesetze gebrochen worden waren. So begann er mit dem Studium juristischer Bücher. Da er kein Geld hatte, um die Bücher zu kaufen, las er die Texte in einem örtlichen Buchladen und schrieb sich wichtige Informationen in ein Heft. Dem Besitzer schenkte er als Gegenleistung immer wieder mal etwas Mais.

Schadenersatz erstritten

Im Jahr 2007 bekamen Wang Enlin und seine Nachbarn kostenlose Unterstützung durch eine Anwaltskanzlei, die auf Umweltfälle spezialisiert ist. Das Gericht von Ang'angxi in Qiqihar nahm den Fall allerdings erst acht Jahre später auf. Auf Grundlage der gesammelten Beweise von Wang Enlin wurde der Chemiekonzern schließlich zu 820.000 Yuan, umgerechnet 110.000 Euro, Schadenersatz verurteilt. Das Urteil schlug in chinesischen Medien einige Wellen, weil Klagen gegen große Konzerne, die häufig nicht nur wichtige Steuerzahler und Arbeitgeber sind, sondern in China auch mit lokalen Stellen kungeln, bisher noch selten Erfolg haben. Auch sind die Gerichte in China nicht unabhängig und das Rechtssystem schlecht entwickelt.

Zeitung lobt willensstarken und lernbegierigen Landwirt

"Die meisten Leute haben wenig Zuversicht, eine Umweltklage einzureichen, besonders wenn die Beschuldigten große mächtige Firmen sind oder auch Behörden", sagte Liu Jinmei, Anwalt am Zentrum zur Unterstützung von Opfern von Umweltschäden an der Pekinger Universität für Recht und Politik, der Zeitung "Zhongguo Qingnianbao". "Sie glauben nicht, dass sie eine Chance haben." Der hartnäckige Bauer bekam viel Lob. "Er hat sich selber das Recht beigebracht und gegen Anwälte gewonnen, die der Gegner in großen Städten angeworben hat", kommentierte das Blatt.

Vier weitere Klagen gegen Chemiekonzern anhängig

So bescheiden der Schadenersatz für die Kläger nach 16 Jahren auch aussehen mag, so symbolisch ist der Erfolg gegen den Chemieriesen, der in den vergangenen zehn Jahren neben dem Dorf auch noch eine fünf Meter hohe Halde mit tonnenweise Chemieabfällen aufgetürmt hat. "Ich werde weiter gegen Qihua klagen", sagte Bauer Wang Enlin. Vier weitere Fälle seien noch anhängig. Sie sammelten weiter Material, um den Kampf fortzusetzen. "Wir haben einen sehr langen Weg vor uns."

Redaktion beck-aktuell, 24. Februar 2017 (dpa).