BVerfG: Länderübergreifende Beauftragung des Medizinischen Dienstes zulässig

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die länderübergreifende Beauftragung des Medizinischen Dienstes nicht zur Entscheidung angenommen. Das Grundgesetz schreibe eine örtliche Begrenzung der Prüfungskompetenz des Medizinischen Dienstes nicht vor, wenn dieser auf Grundlage von §§ 275, 276 SGB V tätig wird (Beschluss vom 08.11.2016, Az.: 1 BvR 935/14).

Krankenhaus rügte länderübergreifende Beauftragung des Medizinischen Dienstes

Die Beschwerdeführerin betreibt ein Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen. Sie war im Ausgangsverfahren verurteilt worden, Behandlungsunterlagen eines Patienten, der bei einer Betriebskrankenkasse mit Sitz in Nordrhein-Westfalen versichert war, an den Medizinischen Dienst in Rheinland-Pfalz herauszugeben. Hiergegen wandte die Beschwerdeführerin ein, dass für alle Prüfaufgaben, die dem Medizinischen Dienst in § 275 SGB V zugewiesen seien, keine länderübergreifende Beauftragung erfolgen könne. Das Bundessozialgericht verneinte eine örtliche Begrenzung der Prüfungskompetenz des Medizinischen Dienstes. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügte die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaats- und Bundesstaatsprinzip.

BVerfG: Verfassungsbeschwerde zum Teil bereits unzulässig

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit die Beschwerdeführerin rüge, sie sei in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt, sei die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Die Beschwerdeführerin berufe sich auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ihrer Patienten (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) und mache insoweit im Ergebnis nicht eigene Grundrechte, sondern solche ihrer Patienten geltend. Unzulässig sei die Verfassungsbeschwerde auch im Hinblick auf die Rüge einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin ergebe sich keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung durch den Einsatz überörtlicher Medizinischer Dienste. Ein konkreter individueller Nachteil für die Beschwerdeführerin sei nicht erkennbar.

Bundesgesetzgeber darf länderübergreifendes Zusammenwirken in der Krankenversicherung regeln

Im Übrigen hält das BVerfG die Verfassungsbeschwerde jedenfalls für unbegründet. Das angegriffene BSG-Urteil verletze die Beschwerdeführerin nicht in ihren Grundrechten. Das BSG habe in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass weder Wortlaut noch Systematik, Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des § 276 Abs. 2 SGB V Anhaltspunkte für die Annahme böten, dass die dem Medizinischen Dienst zugewiesenen Aufgaben ausschließlich nach räumlichen Wirkungskreisen wahrzunehmen seien. Die von der Beschwerdeführerin begehrte einschränkende Auslegung sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Art. 87 Abs. 2 GG räume dem Gesetzgeber für die Organisation und das Verfahren der Krankenversicherung einen großen Spielraum ein. Die Organisationsbefugnis des Bundes berechtige ihn auch, Verbindungen zwischen Sozialversicherungsträgern herzustellen oder länderüberschreitende Leistungsbeziehungen zu regeln. Ein verfassungsrechtliches Verbot bundesgesetzlicher Regelung länderübergreifenden Zusammenwirkens in der Krankenversicherung bestehe nicht.

BVerfG, Beschluss vom 08.11.2016 - 1 BvR 935/14

Redaktion beck-aktuell, 15. Dezember 2016.