BGH: Verlag durfte Fotos des ehemaligen Bundespräsidenten Wulff beim Einkauf veröffentlichen

Altbundespräsident Christian Wulff ist mit einer Klage gegen die Veröffentlichung von Bildern, die ihn und seine Ehefrau beim Einkauf im Supermarkt zeigen, gescheitert. Der Bundesgerichtshof wies die gegen einen Zeitschriftenverlag gerichtete Unterlassungsklage unter Verweis auf das Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) ab (Urteil vom 06.02.2018, Az.: VI ZR 76/17).

Bebilderter Bericht über Wulffs "Liebes-Comeback"

Am 06.05.2015 hatte Wulff in einer Pressemitteilung bestätigt, dass er und seine Frau wieder zusammen lebten. Am 13.05.2015 veröffentlichte die Beklagte, ein Zeitschriftenverlag, in der Illustrierten "People" unter der Überschrift "Liebes-Comeback" einen Artikel über Wulff und seine Ehefrau und bebilderte diesen Artikel unter anderem mit einem Foto, das den Kläger und seine Ehefrau am Auto zeigte. Am 20.05.2015 veröffentlichte die Beklagte in der Zeitschrift "Neue Post" unter der Überschrift "Nach der Versöhnung – Christian Wulff – Wer Bettina liebt, der schiebt!" einen weiteren Artikel über den Kläger und seine Ehefrau, wobei sie den Artikel unter anderem mit einem Foto des Klägers mit einem gefüllten Einkaufswagen bebilderte.

Wulff zunächst erfolgreich mit Unterlassungsklage

Das Landgericht Köln hat der auf Unterlassung der Bildberichterstattung gerichteten Klage Wulffs stattgegeben (BeckRS 2016, 128750 und BeckRS 2016, 128866). Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Köln verletzte die Veröffentlichung der Bilder den Kläger in seiner Privatsphäre (BeckRS 2017, 136411). Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgte der Verlag sein Klageabweisungsbegehren erfolgreich weiter.

BGH: Bilderveröffentlichung durch Kunsturhebergesetz gedeckt

Der BGH  hat die Vorentscheidungen aufgehoben und die Klage Wulffs abgewiesen. Die veröffentlichten Fotos seien dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG) zuzuordnen und hätten deshalb von der Beklagten auch ohne Einwilligung des Klägers (§ 22 KunstUrhG) verbreitet werden dürfen, da berechtigte Interessen des Abgebildeten damit nicht verletzt worden seien.

Stellung des Klägers als Ex-Bundespräsident nicht genügend gewürdigt

Die Vorinstanzen haben laut BGH die in besonderer Weise herausgehobene Stellung des Klägers als ehemaliges Staatsoberhaupt, den Kontext der beanstandeten Bildberichterstattung sowie das Ausmaß der vom Kläger in der Vergangenheit praktizierten Selbstöffnung nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb rechtsfehlerhaft dem Persönlichkeitsrecht Wulffs den Vorrang vor der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Pressefreiheit der Beklagten eingeräumt. Die herausgehobene politische Bedeutung des Klägers als Inhaber des höchsten Staatsamtes und das berechtigte öffentliche Interesse an seiner Person hätten nicht mit seinem Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten geendet, so die Karlsruher Richter. Die besondere Bedeutung des Amtes wirke vielmehr nach. Auch nach seinem Rücktritt erfülle der Kläger, der als Altbundespräsident weiterhin zahlreichen politischen und gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommt, Leitbild- und Kontrastfunktion auch in der Normalität seines Alltagslebens. Im Zusammenhang mit der – nicht angegriffenen – Textberichterstattung leisteten die Veröffentlichungen einen Beitrag zu einer Diskussion allgemeinen Interesses.

Bilder betreffen Wulff lediglich in seiner Sozialsphäre

Auch nähmen die Bilder Bezug auf die vom Kläger selbst erst einige Tage zuvor durch Pressemitteilung bestätigte Versöhnung mit seiner Frau. Gegenstand der Berichterstattung sei darüber hinaus die eheliche Rollenverteilung. Die Fotos bebilderten dies und dienten zugleich als Beleg. Ferner sei zu berücksichtigen, so der BGH, dass der Kläger sein Ehe- und Familienleben in der Vergangenheit immer wieder öffentlich thematisiert und sich dadurch mit einer öffentlichen Erörterung dieses Themas einverstanden gezeigt habe. Zudem beträfen die zur Einkaufszeit auf dem Parkplatz eines Supermarktes und damit im öffentlichen Raum aufgenommenen Fotos den Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre.

Fotos ohne eigenständigen Verletzungsgehalt

Den entgegenstehenden berechtigten Interessen des Klägers komme demgegenüber kein überwiegendes Gewicht zu (§ 23 Abs. 2 KunstUrhG). Die Fotos wiesen keinen eigenständigen Verletzungsgehalt auf, sondern zeigten den Kläger in einer unverfänglichen Alltagssituation und in der Rolle eines fürsorgenden Familienvaters.

BGH, Urteil vom 06.02.2018 - VI ZR 76/17

Redaktion beck-aktuell, 7. Februar 2018.