Wirtschaftsausschuss: Experten üben massive Kritik an geplanten Regelungen zum offenen WLAN

Der Vorstoß der Bundesregierung, einen unkomplizierten Zugang zu öffentlichen WLAN-Angeboten zu schaffen, ist auf massive Kritik von Strafverfolgern und Urheberrechte-Inhabern gestoßen. Dies ist das Ergebnis einer Anhörung von Sachverständigen zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes (BT-Drsn.:18/12202; 18/12496) im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie am 26.06.2017.

Gesetzentwurf soll Haftungsbeschränkung für Internetzugangsanbieter regeln

Mit dem Gesetzentwurf soll der Umfang der Haftungsbeschränkung für Internetzugangsanbieter geregelt werden. Diese sollen ihre Dienste Dritten anbieten können, ohne befürchten zu müssen, für Rechtsverstöße von Nutzern abgemahnt oder haftbar gemacht werden zu können. Die Bundesregierung reagiert damit auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Der Gesetzentwurf sieht konkret vor, dass WLAN-Betreiber von Behörden nicht verpflichtet werden können, Nutzer zu registrieren oder ein Passwort für die Nutzung zu verlangen. Dies sei aber auf freiwilliger Basis weiter möglich, so die Regierung.

Urheberechte-Inhaber halten die Regelungen für "kaum vertretbar"

Florian Drücke vom Bundesverband Musikindustrie meinte namens des "Forums der Rechteinhaber", die vorgesehenen Regelungen seien "kaum vertretbar, da sie zu erheblichen gesellschaftlichen und rechtlichen Kollisionen sowie zu wirtschaftlichen Schäden führen". Es werde etwa mit Blick auf Hass-Äußerungen "die Verantwortungslosigkeit im digitalen Raum" gefördert. "Beseitigt" werde "die Möglichkeit zur außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen der Rechteinhaber". Er beklagte einen "Durchsetzungs-Leerraum".

Strafverfolger: Offenes WLAN führt zu vollständiger Anonymisierung des Nutzers

Andreas May von der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main strich heraus, die Überwachung der Telekommunikation (TKÜ) sei ein "wesentlicher Eckpfeiler effektiver Strafverfolgung". WLAN-Hotspots ermöglichten aber einem Nutzer "nicht nur einen Internet-Zugang an beliebigen Orten, sondern auch die Möglichkeit, über diese zu telefonieren (Wifi-Calling)". Sei die Nutzung ohne Zugangsdaten möglich, führe dies "zu einer vollständigen Anonymisierung des Nutzers", befand May als Vertreter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT). Er setzte sich für eine "verifizierbare Registrierung im WLAN und eine zeitweise Speicherung der Nutzungsdaten durch den WLAN-Betreiber ein, um so Täter identifizieren zu können. Dies seien "die einzig erfolgversprechenden Maßnahmen, das Problem des Missbrauchs einzudämmen".

Handelsverband sieht im Gesetzentwurf gute Grundlage für Kompromiss

Tobias Keber von der Hochschule der Medien sagte: "Gesetzlicher Handlungsbedarf ist da." Was der Gesetzentwurf vorsehe, sei "insgesamt schon geeignet", um die Probleme in den Griff zu bekommen. Der Interessensausgleich zwischen den Beteiligten werde "fair" gelöst. Stephan Tromp (Handelsverband Deutschland /HDE) hob den "Wegfall des Großteils der Ansprüche im Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung und -durchsetzung der Urheberrechteinhaber" hervor. Damit verbesserten sich die Rahmenbedingungen der Internet-Anbieter "insbesondere durch eine Reduzierung der finanziellen Risiken". Entgegen den Vorgaben im Gesetzentwurf sollte ausgeschlossen werden, dass eine gerichtliche Anordnung von Passwort- und Registrierungspflichten möglich bleibt. Doch insgesamt bewertete Tromp den Gesetzentwurf als "eine gute Grundlage für einen Kompromiss aller Beteiligten".

Kritik auch an geplanter Nutzungssperre bei Rechtsverletzungen

Dieter Frey (FREY Rechtsanwälte Partnerschaft) verwies auf den "Sperranspruch", der in das Gesetz aufgenommen werden soll. Auf richterliche Anordnung kann eine Nutzungssperre verhängt werden, wenn eine Verletzung von Rechten am geistigen Eigentum festgestellt wurde. Dieser Passus führe zu einer "Rechtsunsicherheit", meinte Frey. Nicht zuletzt deswegen bestehe die Gefahr, dass die geplante Gesetzesänderung ihr Ziel verfehle, offenes WLAN weiter zu stärken. Für Reto Mantz, Richter am Landgericht Frankfurt am Main, ist "angesichts der gegenwärtigen Rechtssprechungslage" eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes "zwingend erforderlich". Die angepeilte "Neuregelung der Haftungsprivilegierung für Anbieter von öffentlich zugänglichen WLANs" sei mithin "grundsätzlich begrüßenswert".

Redaktion beck-aktuell, 27. Juni 2017.