Amnesty International: Massenentlassungen in der Türkei verletzen Menschenrechte

Die türkische Führung verstößt mit den Massenentlassungen von Staatsbediensteten per Notstandsdekret gegen Menschenrechte, rügt Amnesty International. In einem am 22.05.2017 veröffentlichten Bericht kritisierte die Organisation die Entlassungen als "willkürlich". Die Betroffenen und ihre Familien würden außerdem als "Terroristen" stigmatisiert.

Kündigungen ohne individuelle Begründungen

In ihrem Bericht kritisierte Amnesty, die Behörden hätten in keinem der untersuchten 33 Fälle individuelle Begründungen für die Kündigungen geliefert. Das erhärte den Verdacht, "dass zahlreiche Entlassungen willkürlich, ungerecht und/oder politisch motiviert" gewesen seien.

Recht auf ordnungsgemäßes Verfahren und Diskriminierungsverbot verletzt

Die Maßnahmen verletzten unter anderem das Menschenrecht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren und missachteten das Diskriminierungsverbot von Zehntausenden Menschen. Darunter seien Militärs, Polizisten, Richter, Lehrer, Akademiker und Ärzte. Da die Reisepässe der Betroffenen in vielen Fällen für ungültig erklärt worden seien, könnten sie auch das Land nicht verlassen.

Entlassungen gerichtlich nicht anfechtbar

Weiter bemängelte Amnesty, es sei unmöglich, die Entlassungen vor Gericht anzufechten. Eine im Januar 2017 von der türkischen Regierung eingesetzte Kommission sei nicht ausreichend, um die Fälle zu bearbeiten. Die Kommission, deren Unabhängigkeit Amnesty zudem anzweifelte, habe ihre Arbeit noch immer nicht aufgenommen. Seit dem Putschversuch hätten nur 1.300 von mehr als 100.000 entlassenen Staatsbediensteten ihre Positionen im Staatsdienst zurückerhalten.

Zwei entlassene Akademiker im Hungerstreik festgenommen

Zwei Akademiker, eine Dozentin und ein Grundschullehrer, die sich aus Protest gegen ihre Entlassungen seit 75 Tagen im Hungerstreik befinden, wurden unterdessen bei einer Razzia in Ankara festgenommen. Mehrere Unterstützer wurden laut Medienberichten bei anschließenden Protesten in der Hauptstadt am zentralen Menschenrechtsdenkmal festgenommen. Die Zeitung "Cumhuriyet" meldete unter Berufung auf den Anwalt Selcuk Kozagacli, die Behörden hätten als Grund für die Festnahme angegeben, dass "die Aktion zu einem Todesfasten werden könnte" und Anlass für Demonstrationen ähnlich der regierungskritischen Gezi-Proteste im Jahr 2013 geben könnte. Der Türkei-Experte von Amnesty International, Andrew Gardner, nannte die Festnahmen "inakzeptabel" und forderte eine sofortige Freilassung der Akademiker.

Redaktion beck-aktuell, 23. Mai 2017 (dpa).