AG Saarbrücken: Künstler nach Liegestützen auf Altar verurteilt

Ein Altar ist keine Turnmatte: Wegen eines umstrittenen Videoprojekts, das den Saarländer Künstler Alexander Karle bei Liegestützen auf einen Kirchenaltar zeigt, muss dieser jetzt 700 Euro Strafe zahlen. Dazu hat ihn das Amtsgericht Saarbrücken am 17.01.2017 verurteilt. Doch der Künstler beruft sich auf die künstlerische Freiheit und kündigt Berufung an.

Wegen Hausfriedensbruchs und Störung der Religionsausübung verurteilt

Das Video dauert nur eineinhalb Minuten: Alexander Karle steigt darin in der katholischen Kirche St. Johann in Saarbrücken über eine rote Absperrkordel, klettert auf den Altar, macht 27 Liegestütze, legt sich kurz erschöpft nieder, steigt wieder herunter, wischt mit einer Hand über die Steinplatte und geht. "An diesem Tag wurde eine Grenze überschritten“, sagte Richterin Judith Simon. Karle habe sich wegen Hausfriedensbruchs und Störung der Religionsausübung strafbar gemacht.

Videoaktion "Pressure to perform“ ruft Kirche auf den Plan

Der Künstler selbst hatte zuvor gegen einen Strafbefehl in Höhe von 1.500 Euro Einspruch eingelegt. Seine Aktion war bekannt geworden und hatte die katholische Kirche auf den Plan gerufen, nachdem er einen Videofilm davon mit dem Titel "Pressure to perform“("Leistungsdruck“) in einem Schaufenster und bei Ausstellungen gezeigt hatte.

Gericht reduziert Höhe der Tagessätze

In ihrem Urteil reduzierte die Richterin angesichts der Einkommensverhältnisse des 38-Jährigen die Höhe der Tagessätze von 25 auf zehn Euro, ging jedoch mit den verhängten 70 Tagessätzen noch über die von der Staatsanwaltschaft geforderten 60 hinaus. "Dem Angeklagten fehlt im Umgang mit anderen das Gespür für das, was angemessen ist“, sagte Simon.

Aktion nicht durch Kunst- oder Meinungsfreiheit gedeckt

Der Vorgang sei nicht durch die Kunst- oder Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) abgedeckt, so das Gericht. "Man muss klar und deutlich konstatieren: Wenn ein Altar einer Turnmatte gleichgesetzt wird, wird objektiv eine Missachtung zum Ausdruck gebracht. Und selbst wenn man jetzt davon ausgeht, dass es sich hier tatsächlich um Kunst handelt, liegt es auch auf der Hand, dass Sie Ihre Kunstfreiheit nicht überall, jederzeit und an jedem Ort verwirklichen können“, sagte die Richterin zu dem Künstler.

Verteidiger forderte Freispruch

Karles Verteidiger Robin Sircar forderte Freispruch. Er berief sich nicht nur auf die Kunstfreiheit, sondern auch darauf, dass Karle selbst zu keinem Zeitpunkt Menschen oder die Kirche beleidigen oder verhöhnen wollte. "Es mag Unfug gewesen sein, aber ein beschimpfender Charakter war es nicht.“

Karle verneint Absicht, Gefühle zu verletzen

Karle sagte, ein Altar habe eine gewisse Symbolkraft, "der ich ein anderes Symbol zufügen wollte". Darüber, wie dies bei den Gläubigen ankomme, habe er sich keine Gedanken gemacht. Er sei nicht davon ausgegangen, Gefühle zu verletzen. Zwar könne er sagen, dass es ihm leid tue, sollte dies geschehen sein – dass man jedoch streiten und in Dialog treten könne, sei wichtiger Bestandteil der Demokratie.

Video auch in der Gemeinde Thema

Auch innerhalb der Gemeinde werden die Liegestütze auf dem Altar weiter diskutiert. Pfarrer Christian Heinz kündigte an, das Thema mit Jugendlichen besprechen zu wollen – und dazu den Künstler einzuladen und eventuell das Video zu zeigen.

AG Saarbrücken, Keine Angabe vom 17.01.2017

Redaktion beck-aktuell, 18. Januar 2017 (dpa).