AG Ludwigsburg: Geschädigter muss dubioses Restwertangebot nicht annehmen

StVG §§ 3, 7 I, 18 I; VVG § 115 I 1 Nr. 1; PflVG § 1; BGB § 249

Ein Geschädigter ist nach einem Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg nicht verpflichtet, ein ihm von der Versicherung unterbreitetes Restwertangebot eines Autoverwertungsunternehmens anzunehmen, das den regional erzielbaren Restwert um ein vielfaches (hier um das 2,5fache) übersteigt, wenn das Angebot schon für den gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht nachvollziehbar ist und illegale Verhaltensweisen nicht auszuschließen sind.

AG Ludwigsburg, Urteil vom 19.07.2017 - 6 C 567/17, BeckRS 2017, 125931

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 20/2017 vom 12.10..2017

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Sachverhalt

Die Parteien streiten um restlichen Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall mit Totalschaden. Das Fahrzeug des Klägers ist ein Peugeot 206 mit einem Wiederbeschaffungswert von 2.200 EUR. Einziger Streitpunkt zwischen den Parteien ist der Restwert.

Der vom Kläger beauftragte Sachverständige hatte den Restwert mit 400 EUR beziffert. Er hatte seinem Gutachten drei Angebote bezüglich des «Schrottpreises» zugrunde gelegt, über 0 EUR, 350 EUR und über 400 EUR. Der beklagte Versicherer legte ein «verbindliches Kaufangebot» über 1.612 EUR vor. Für das Abholen des Fahrzeugs entstünden keine Kosten und der Kaufpreis werde bar bezahlt.

Dieses Angebot hat der Kläger nicht angenommen. Der angebotene Preis sei jedenfalls nicht am regionalen Markt zu erzielen, den der Sachverständige zugrunde gelegt habe. Er kenne die genannte Firma nicht, die offensichtlich auch gar nicht selbst kaufe, sondern lediglich an andere vermittle, und halte das Angebot nicht für seriös.

Rechtliche Wertung

Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Ferner wurden Zeugen vernommen, insbesondere der Händler, der 0 EUR für das Unfallfahrzeug geboten hatte. Dieser kalkulierte vor Gericht und begründete eingehend, weshalb er für das Unfallfahrzeug schlichtweg nichts hätte zahlen können. Der gerichtliche Sachverständige bestätigte das vorgerichtliche Gutachten und äußerte die Meinung, dass ein Angebot von mehr als 400 EUR für den Schrott schlichtweg nicht nachvollziehbar sei. Der im Kaufangebot genannte Preis sei sehr, sehr hoch und «total unrealistisch».

Das Gericht äußerte die Vermutung, dass nicht auszuschließen sei, dass es dem Aufkäufer lediglich auf den Erhalt des Kraftfahrzeugbriefs und gegebenenfalls eines entsprechenden Scheckhefts ankomme, da solche Unterlagen international gehandelt würden.

Praxishinweis

Das Gericht hat die einschlägige Rechtsprechung umfassend erwähnt und gewürdigt. Die Entscheidung, insbesondere mit der hier doch gewaltigen Differenz, verdient besondere Beachtung durch den Verkehrsrechtler.

Redaktion beck-aktuell, 20. Oktober 2017.