OLG Brandenburg: Für den Besitz an Abfall genügt ein Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft

KrWG §§ 3 I, II, IX, 28 I 1; OWiG § 79 I 1 Nr. 1

Wer über Abfälle in einem ihm gehörenden Container frei verfügen kann, ist beim Auskippen des Abfalls Besitzer im Sinne von § 3 Abs. 9 KrWG, ohne dass es darauf ankommt, ob der Container sich auf einem nicht frei zugänglichen Grundstück befindet. (Leitsatz des Gerichts)

OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.06.2016 - (2 B) 53 Ss-OWi 56/16 (78/16), BeckRS 2016, 117865

Anmerkung von 
Rechtsanwalt Christian Rathgeber, Mag. rer. publ., Knierim & Krug Rechtsanwälte, Mainz

Aus beck-fachdienst Strafrecht 08/2017 vom 27.04.2017

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Sachverhalt

Der Betroffene (B) ist Inhaber des Unternehmens, das einen Containerdienst betreibt. Aufgrund einer telefonischen Bestellung wurde durch dieses im August 2012 auf dem Vereinsgelände einer Garagengemeinschaft ein Container abgestellt, der anschließend mit Sperrmüll und alten Autoteilen befüllt wurde. Am 20.8.2012 wurde der Inhalt des Containers, der nicht dem entsprach, was abgesprochen worden war, an Ort und Stelle mit Wissen und Wollen des B ausgekippt. Das AG hat gegen den B durch Urteil vom 23.10.2015 wegen vorsätzlicher Ablagerung von Abfällen zur Beseitigung außerhalb dafür zugelassener Anlagen eine Geldbuße von 1.000 EUR verhängt. B hat gegen dieses Urteil durch seinen Verteidiger Rechtsbeschwerde eingelegt und die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Die GenStA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und B von der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit freizusprechen.

Rechtliche Wertung

Die Rechtsbeschwerde sei gemäß § 79 I 1 Nr. 1 OWiG statthaft und auch im Übrigen zulässig, bleibe jedoch ohne Erfolg. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung habe keine Rechtsfehler zum Nachteil des B ergeben. Das Tatgericht habe aufgrund der getroffenen Feststellungen zutreffend angenommen, dass es sich bei den im Container befindlichen Sperrmüll und Autoteilen um Abfälle zur Beseitigung handelte (§ 3 I KrWG), denen sich der B (bzw. in ihm zuzurechnender Weise Mitarbeiter seines Unternehmens) durch Auskippen aus dem Container und Liegenlassen auf dem Vereinsgelände entledigt (§ 3 II KrWG) und damit vorsätzlich gegen § 28 I 1 KrWG verstoßen habe, wonach Abfälle zum Zweck der Beseitigung nur in den dafür zugelassenen Anlagen oder Einrichtungen abgelagert werden dürfen. Entgegen der von der GenStA geteilten Auffassung der Verteidigung sei B Besitzer des Abfalls (§ 3 IX KrWG) gewesen. Hierfür komme es nicht darauf an, ob es sich entsprechend dem Vorbringen der Verteidigung bei dem Vereinsgelände um ein der Allgemeinheit nicht frei zugängliches Grundstück handelt, was in den Urteilsgründen nicht konkret festgestellt worden sei und sich insbesondere auch nicht den in Bezug genommenen Fotos zweifelsfrei entnehmen lasse. Der Besitzbegriff im Abfallbeseitigungsrecht diene dazu, die Verantwortlichkeit für entstandenen Abfall einzugrenzen und setze ein Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft, nicht hingegen einen Besitzbegründungswillen voraus. Daher seien Grundstückseigentümer idR auch für „wilde Ablagerungen“ auf ihren Grundstücken sowie für durch Grundstücksnutzer hinterlassene Abfälle verantwortlich. Das erforderliche Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft sei nur dann zu verneinen, wenn sich die Herrschaftsbeziehung zu den Abfällen nicht von derjenigen beliebiger anderer Personen unterscheidet; ein Besitz am Abfall sei deshalb regelmäßig auszuschließen, wenn die Stoffe auf ein Grundstück verbracht worden seien, das der Allgemeinheit rechtlich und tatsächlich frei zugänglich sei. Unabhängig davon, ob es sich bei dem Vereinsgelände um ein nicht frei zugängliches Grundstück handelte, war B jedenfalls zu dem Zeitpunkt Besitzer, als die in seinem Container befindlichen Abfälle von ihm bzw. seinen Mitarbeitern auf dem Grundstück ausgekippt wurden. Die tatsächliche Sachherrschaft ergebe sich daraus, dass er zu diesem Zeitpunkt ungeachtet etwaig eingeschränkter Zutrittsmöglichkeiten zu dem Gelände in der Lage war, mit dem Abfall nach seinen Vorstellungen und seinem Belieben zu verfahren. Dies begründe einen erheblich intensiveren Bezug zu dem Abfall als bei einem beliebigen Dritten. Entgegen der von der GenStA vertretenen Auffassung ist ein Mindestmaß an Sachherrschaft nicht erst dann zu bejahen, wenn der Abfall durch Aufladen des Containers auf einen Lastkraftwagen übernommen wird. Die Herrschaftsbeziehung ist bereits dadurch ausreichend hergestellt, dass es sich um einen dem Unternehmen gehörenden Container handelt, über dessen Inhalt B im Zeitpunkt der Ablagerung tatsächlich habe frei verfügen können. Die tatgerichtlichen Ausführungen zur Bemessung der Geldbuße wiesen den B beschwerende Rechtsfehler, auf denen das angefochtene Urteil beruhe, nicht auf. Die Kostenentscheidung folge aus § 46 I OWiG, § 473 I 1 StPO.

Praxishinweis

Die Eigenschaft als Abfallbesitzer hat insoweit zentrale Bedeutung, als daran die Pflicht geknüpft ist, die Abfälle zu verwerten (§ 7 I KrWG) oder zu beseitigen (§ 15 KrWG) (Erbs/Kohlhaas-Häberle, Strafrechtliche Nebengesetze, 212. EL (Januar 2017), KrWG § 3 Rn. 45). Nach der ständigen Rechtsprechung ist hierfür lediglich „ein Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft“ erforderlich. Das Gericht hat diese Voraussetzung vorliegend – entgegen der geteilten Rechtsauffassung von Verteidigung und GenStA – sehr weit ausgelegt. Zunächst ließe sich die Entscheidung so lesen, dass das Aufstellen von Abfallcontainern grds. eine „Besitzenklave“ des Unternehmers schafft. Allerdings tritt vorliegend hinzu, dass das Ausschütten der bereits in dem Container befindlichen Abfälle durch Mitarbeiter des entsprechenden Unternehmers erfolgt ist. Eine Sachherrschaft lässt sich auf diese Weise nachvollziehbarer begründen.

Redaktion beck-aktuell, 28. April 2017.