LAG Köln: 40-Euro-Verzugspauschale gilt auch im Arbeitsrecht

BGB § 288 V

Die Verzugspauschale von 40 EUR gemäß § 288 V BGB gilt auch für arbeitsrechtliche Entgeltansprüche. Die Wertungen des § 12a ArbGG gebieten keine Ausnahme. Eine Anrechnung auf die gerichtliche Kostenerstattung findet nicht statt.

LAG Köln, Urteil vom 22.11.2016 - 12 Sa 524/16 (ArbG Aachen), BeckRS 2016, 74899

Anmerkung von 
Rechtsanwalt Prof. Dr. Martin Diller, Gleiss Lutz, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 03/2017 vom 26.01.2017

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Sachverhalt

Der klagende Arbeitnehmer war bei der Beklagten als Leiharbeitnehmer angestellt. Zwischen den Parteien entstand Streit über die Branchenzuschläge der chemischen Industrie. Neben bezifferten Ansprüchen aus den Branchenzuschlags-Tarifverträgen machte der Kläger auch Schadensersatz von 40 EUR nach § 288 V BGB geltend. Die Beklagte wandte ein, § 288 V BGB gelte nicht für arbeitsrechtliche Ansprüche.

Rechtliche Würdigung

Das ArbG hatte die Anwendung von § 288 V BGB verneint und insoweit die Klage abgewiesen. Das LAG änderte das Urteil diesbezüglich und sprach dem Kläger die 40 EUR zu.

Dem Wortlaut des Gesetzes nach gelte § 288 V BGB umfassend im gesamten Zivilrecht, mithin auch im Arbeitsrecht. Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergebe sich auch nicht, dass der Gesetzgeber eine Anwendbarkeit im Arbeitsrecht nicht gewollt habe. Für eine Anwendung des § 288 V BGB auch im Arbeitsrecht spreche, dass die übrigen Regelungen des § 288 BGB, insbesondere zu Verzug und Verzugszins, unzweifelhaft auch im Arbeitsrecht gelten. Auch der Gesetzeszweck gebiete eine Anrechnung im Arbeitsrecht, weil es trotz des Strafbarkeitsrisikos des § 266a StGB in der Praxis immer wieder dazu komme, dass geschuldeter Lohn nicht pünktlich gezahlt werde.

Der Anspruch auf die 40-Euro-Pauschale sei auch nicht auf die – im arbeitsrechtlichen Berufungsverfahren anders als in der ersten Instanz vorgesehene – gerichtliche Kostenerstattung anzurechnen. Vielmehr sei § 288 V 3 BGB so zu verstehen, dass eine Anrechnung nur auf außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten stattfinde. Hier greife aber § 12a ArbGG, wonach außerhalb des § 288 BGB gerade keine außergerichtliche Kostenerstattung stattfinde.

Da der Anspruch auf die 40-Euro-Pauschale ein materiellrechtlicher Anspruch sei, sei er auch gemäß § 291 BGB ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.

Praxishinweis

Der Verfasser dieser Anmerkung hat die Diskussion um die Anwendbarkeit der 40-Euro-Verzugspauschale des § 288 V im Bereich des Arbeitsrechts durch einen Aufsatz in NZA 2015, 1095 angestoßen. Er bleibt bei seiner Auffassung, dass die besseren Argumente dafür sprechen, § 288 V BGB im Arbeitsrecht nicht anzuwenden (a.A. z.B. Hülsemann, ArbRaktuell 2016, 146). Dieser Auffassung sind bisher mehrere Arbeitsgericht gefolgt, während die LAG Köln und Baden-Württemberg (ArbRaktuell 2016, 579 m. Anm. Brodtrück) ihr nicht gefolgt sind. Dabei geht das LAG Köln in der vorliegenden Entscheidung sogar noch einen Schritt weiter und spricht nicht nur die 40-Euro-Pauschale zu, sondern verneint auch ihre Verrechenbarkeit mit der prozessualen Kostenerstattung.

Erfreulicherweise haben sowohl das LAG Köln als auch das LAG Baden-Württemberg die Revision zugelassen, so dass die Streitfrage vermutlich rasch vom BAG entschieden werden wird. Vielleicht tut das BAG der Praxis ja auch den Gefallen und zieht den Fall vor, denn über die 40-Euro-Pauschale wird jeden Tag in unzähligen Arbeitsgerichtssälen der Republik gestritten.

Es ist ärgerlich, dass der Gesetzgeber bei der Einführung der 40-Euro-Pauschale und ihrer – durch die zugrundeliegende EU-Richtlinie nicht gebotenen – Ausdehnung auf Verbraucherverträge übersehen hat, dass die 40-Euro-Pauschale im Arbeitsrecht spezifische Fragen aufwirft und hier auch wenig Sinn macht (Diller, a.a.O.).

Aus Sicht der meisten Arbeitsgerichte wäre zu begrüßen, wenn das BAG zu dem Ergebnis käme, dass § 288 V BGB im Arbeitsrecht nicht gilt. Bis zur obergerichtlichen Klärung kann allerdings jedem Arbeitnehmeranwalt nur empfohlen werden, den Anspruch geltend zu machen. Richtigerweise muss der Anspruch – wenn er denn besteht – bereits im Erkenntnisverfahren mit eingeklagt werden, kann also nicht in das Kostenfestsetzungsverfahren verschoben werden.

Redaktion beck-aktuell, 1. Februar 2017.