"Liebesgrüße aus Bayern": Söder-Graffito von Kunstfreiheit gedeckt
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Die Darstellung des bayerischen Ministerpräsidenten in einer an die SS erinnernden Uniform ist nicht strafbar. Das BayObLG sprach nun einen Sprayer frei: Es handle sich um eine zulässige Machtkritik, die die Grenzen der Kunstfreiheit nicht überschreite.

Das Amtsgericht hatte einen jungen Mann wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe von 2.700 Euro verurteilt. Er hatte im Sommer 2022 ein Graffito auf eine Feldscheune im Raum Nürnberg gesprüht. Dieses zeigte mit dem Schriftzug "Liebesgrüße aus Bayern" eine Person in Uniform, deren eine Gesichtshälfte als Totenschädel dargestellt war und deren andere Hälfte dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) ähnelte. Unter dem Bild waren zwei Szenen zu sehen, in denen nach Polizei aussehende Personen – wohl in bayerischen Polizeiuniformen – andere misshandelten.

Der Künstler hatte bestritten, den Ministerpräsidenten abgebildet zu haben, und berief sich auf die Kunstfreiheit. Das Graffito zeige "irgendeine Autoritätsperson". Dadurch wolle er selbst erlebte Polizeigewalt darstellen und "in visueller Form" verarbeiten. Das LG bestätigte noch das erstinstanzliche Urteil, doch die Revision beim BayObLG hatte nun Erfolg.

Das BayObLG sprach den Künstler vom Vorwurf des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen frei (Beschluss vom 8.5.2024 – 204 StRR 452/23). Zwar erinnere die abgebildete Uniform aus Sicht der bayerischen Richterinnen und Richter an eine SS-Uniform. Zum Verwechseln ähnlich sehe das Bildwerk ihr jedoch nicht. Abbildungen, die allenfalls den Anschein eines verfassungswidrigen Kennzeichens erwecken würden, fielen nicht unter den Straftatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Typische Details (z. B. SS-Runen) fehlten und auf der Krawatte des abgebildeten Mannes befinde sich ein Fragezeichen. Im Übrigen stehe einer Verurteilung die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG entgegen.

Gericht sieht in Graffito zulässige Machtkritik

Vor diesem Hintergrund verneinte das BayObLG auch eine Beleidigung nach § 185 StGB: Das Graffito sei nach allen vom BVerfG geprägten Begriffen Kunst. Dabei handle es sich – über die künstlerische Ausdrucksform hinaus – um eine zulässige Systemkritik, die die Grenzen der Kunstfreiheit nicht überschreite. Ein Künstler oder eine Künstlerin dürfe sich in seinen Werken auch in einer "pointierten, polemischen und überspitzten" Weise äußern.

Selbst wenn mit dem Graffito gezielt die Person des derzeitigen Ministerpräsidenten hätte angegriffen werden sollen, so der Senat, sei dessen Persönlichkeitsrecht nicht schwerwiegend beeinträchtigt. Der Künstler habe mit dem Stilmittel der Satire "undifferenziert und plakativ" drastische Kritik an von ihm empfundenen Missständen im Bereich polizeilicher Gewalt ausdrücken wollen.

Redaktion beck-aktuell, ns, 22. Mai 2024.