Australien: Gericht bestätigt Missbrauchsurteil gegen Kardinal Pell

Der ehemalige Finanzchef des Vatikans, der australische Kardinal George Pell, muss wegen Missbrauchs von zwei minderjährigen Chorknaben im Gefängnis bleiben. Der Supreme Court von Victoria hat am 21.08.2019 die Verurteilung des australischen Kardinals George Pell zu sechs Jahren Haft wegen sexuellen Kindesmissbrauchs bestätigt. Es ist aber wahrscheinlich, dass Pell vor Australiens oberstes Gericht zieht, den High Court.

Pell war Nummer drei in der Hierarchie des Vatikans

Als Finanzchef war Pell unter Papst Franziskus jahrelang praktisch die Nummer drei in der Hierarchie des Kirchenstaats. Er ist der ranghöchste katholische Geistliche, der jemals wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt wurde. Die Entscheidung des Supreme Court bedeutet für ihn eine große Enttäuschung. Jetzt hat er nur noch die Chance, Australiens höchstes Gericht anzurufen. 

Einzelzelle zum Schutz vor anderen Häftlingen

Das Urteil nahm der Kardinal ohne große Regung auf. Meist blickte er zu Boden. Nach den ersten fünf Monaten Gefängnis war Pell jedoch anzusehen, dass ihm die Haft zu schaffen macht. Er wirkte schwächer als früher. Aus Sorge, dass ihm andere Häftlinge etwas antun könnten, sitzt er in einer Einzelzelle. 23 Stunden des Tages verbringt er allein. Nach dem Urteil wurde er dorthin zurückgebracht.

Pell darf einstweilen Priester und Kardinal bleiben

In einer schriftlichen Stellungnahme ließ Pell erklären, er sei "offensichtlich enttäuscht". Zugleich bekräftigte er abermals seine Unschuld. Dagegen äußerten sich der Mann, den der Kardinal nach Feststellung der Justiz vor fast 25 Jahren missbraucht hatte, zufrieden. Ein Opfer-Anwalt rief sogar: "Halleluja. Das ist der Beweis, dass es Gott gibt." Der Vatikan will mit Konsequenzen abwarten, ob der Fall in eine weitere Runde geht. Damit darf Pell einstweilen Priester und Kardinal bleiben.

Zwei Chorknaben missbraucht

Missbrauchsvorwürfe gegen ihn gibt es schon seit Jahren. Der Fall, der vor Gericht kam, reicht bis 1996/97 zurück. Damals war Pell gerade Erzbischof von Melbourne geworden. Nach einem Gottesdienst verging er sich dem Urteil zufolge an zwei Chorknaben, die erst 13 Jahre alt waren. Einen der Jungen zwang er demnach zum Oralsex. Zudem soll Pell ihn später erneut bedrängt haben. Von den Jungen lebt nur noch einer. Der 35-Jährige war der entscheidende Belastungszeuge.

Geschworenengericht sprach einstimmig schuldig 

Nachdem ein erster Prozess geplatzt war, sprach ein Geschworenengericht den Kardinal einstimmig schuldig. Dieses Urteil wollte Pell nun wegen Verfahrensfehlern aufheben lassen. Zudem argumentierte er, dass es ihm schon wegen der Bischofsgewänder unmöglich gewesen wäre, die Jungen zu missbrauchen.

Supreme Court-Entscheidung erging mit Mehrheit von 2:1

Der Supreme Court – das höchste Gericht des Bundesstaats Victoria – sah dies jedoch anders. Die drei Berufsrichter lehnten den Einspruch ab. Die Entscheidung erging mit einer Mehrheit von 2:1. Die Vorsitzende Richterin Anne Ferguson wies alle Zweifel an dem Belastungszeugen zurück. Der Mann sei eindeutig "kein Lügner". Das Gericht bestätigte auch, dass Pell frühestens in drei Jahren eine vorzeitige Haftentlassung beantragen kann. Er wäre dann 81 Jahre alt.

Fall umstritten

Der Fall ist seit jeher umstritten. Pells Fürsprecher behaupten, dass der prominente Kardinal zum Sündenbock für die Missbrauchsskandale der katholischen Kirche insgesamt gemacht werden solle. Wahrscheinlich ist nun, dass Pell vor Australiens höchstes Gericht zieht. Bis Mitte September 2019 hat er Zeit, darüber zu entscheiden.

Redaktion beck-aktuell, Christoph Sator und Subel Bhandari, 21. August 2019 (dpa).