Wirtschaftsausschuss: Experten fordern Nachbesserungen bei Abfederung des Kohleausstiegs

Das geplante Maßnahmenbündel der Bundesregierung zur Abfederung des Kohleausstiegs ist von Experten im Ausschuss für Wirtschaft und Energie teils nur verhalten aufgenommen und mit zahlreichen Änderungsvorschlägen versehen worden. Der Entwurf der Bundesregierung (BT-Drs.:19/13398) lasse eine klare Wirtschaftsorientierung der Strukturhilfen vermissen. Ebenso fehlten klare Regelungen für die Beschäftigungssicherung.

Experten vermissen klare Wirtschaftsorientierung der Strukturhilfen

Professor Ralf B. Wehrspohn (Fraunhofer-Gesellschaft) bemängelte, dass der Gesetzentwurf die enormen Herausforderungen gerade der energieintensiven Industrie ignoriere. Sie stehe vor der Herausforderung, ihre energetischen und prozessbedingten Treibhausgasemissionen drastisch zu senken. In Deutschland seien davon besonders die Chemie-, Papier-, Glas- und Metallbranchen betroffen. Für Peter Kopf (Industrie- und Handelskammer Cottbus) fehlt eine klare Wirtschaftsorientierung der Strukturhilfen. Es müssten privatwirtschaftliche Investitionen angeregt werden. Wegfallende Wertschöpfung von Kohleunternehmen und Zulieferern könne nicht durch die Schaffung von Stellen in der Verwaltung kompensiert werden. Für die finanzielle Unterstützung bis 2038 fehle eine rechtsverbindliche Regelung zwischen Bund und Kohleländern.

ifo-Institut gegen Sonderabschreibungen für Investitionen in Ostdeutschland

Das ifo-Institut sprach sich gegen die von einigen Ländern vorgebrachte Forderung nach Sonderabschreibungen für Investitionen in Ostdeutschland aus. Da nicht von vornherein abgeschätzt werden könne, wie hoch die Steuerausfälle werden, ergäben sich unwägbare Risiken für die öffentlichen Haushalte weit über das Jahr 2038 hinaus. Zudem erwartet das Institut hohe Mitnahmeeffekte.

Professor: Keine weitreichenden Folgen des Kohleausstiegs

Professor Jens Südekum (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) befand, wegen des Zeithorizonts des Braunkohleausstiegs sei ein komplettes Wegbrechen der industriellen Basis ebenso wenig zu befürchten wie eine drohende Welle der Massenarbeitslosigkeit. Ein so erheblicher Einsatz öffentlicher Investitionsmittel wie im Gesetzentwurf vorgesehen (rund 200.000 Euro pro direkt betroffenen Arbeitsplatz) sei dann gerechtfertigt, wenn davon industriepolitische Impulse ausgehen, die über die Braunkohlenreviere hinaus ausstrahlen. Es müssten Visionen und Leitbilder dahinterstehen.

Ingenieur fragt nach kalkulierbarer und sicherer Stromversorgung

Frank Hennig, Diplom-Ingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, hob hervor, dass eine preiswerte, mittelfristig kalkulierbare und sichere Stromversorgung Voraussetzung für die Schaffung neuer Arbeitsplätze sei. Im Gesetzentwurf fänden sich keine belastbaren Aussagen zum Ersatz der entfallenden Kohlekraftwerksleistung. Gesicherte, regelfähige und wetter- und tageszeitunabhängige Stromproduktion könne nicht durch volatile Stromeinspeisung ersetzt werden.

Klare Regelungen für die Beschäftigungssicherung gefordert

Christine Wörlen (Arepo Consult) hielt es für wahrscheinlich, dass der Kohleausstieg arbeitsplatzschonend vollzogen werden kann. Dennoch müsse das Gesetz Beschäftigungsgarantien und klare Regelungen für die Beschäftigungssicherung bei Schließung von Kohleanlagen enthalten. Im Gesetzentwurf seien keine Vorkehrungen wie etwa Auffanggesellschaften zu finden. Bezogen auf die Betroffenen seien die Ziele im Gesetzentwurf wolkig und unklar formuliert. Reiner Priggen (Landesverband Erneuerbare Energien NRW) meinte, der Ausbau der Erneuerbaren Energien müsse als ein wesentlicher Teil des notwendigen Strukturwandels begriffen und im Gesetz verankert werden. Das Ausbauziel für Erneuerbare Energien von mindestens 65% bis 2030 sei gesetzlich festzulegen. In dieser Hinsicht sei er völlig enttäuscht vom Gesetzentwurf, gemessen an den Vorschlägen der Kommission.

Redaktion beck-aktuell, 18. Oktober 2019.