Weitere umstrittene Justizreform in Polen in Kraft getreten

In Polen ist am 12.08.2017 eine weitere umstrittene Justizreform der nationalkonservativen Regierung in Kraft getreten. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Justizminister Zbigniew Ziobro künftig Gerichtsvorsitzende ohne Grund entlassen und ohne Rücksprache mit Juristen durch neue Kandidaten austauschen kann. Dadurch könne er die Posten mit eigenen Kandidaten besetzen, bemängelten Rechtsexperten und Regierungsgegner.

Vertragsverletzungsverfahren läuft

Trotz großer Proteste der Bevölkerung und eindringlicher Warnungen der EU-Kommission hatte Präsident Andzej Duda das von der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) forcierte Gesetz Ende Juli 2017 unterschrieben. Die EU-Kommission leitete daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen ein, das im letzten Schritt sogar zur Verhängung von Strafgeldern führen könnte.

Möglichkeit unzulässiger Einflussnahme auf Richter kritisiert

"Die neuen Vorschriften geben dem Justizminister die Möglichkeit, Einfluss auf einzelne Richter zu nehmen, insbesondere durch vage Kriterien für die Amtszeitverlängerung, die den Grundsatz der Unabsetzbarkeit von Richtern untergraben", begründete die Brüsseler Behörde den Schritt. Weiterhin kritisiert die Kommission, dass die Justizreform von Oktober 2017 an verschiedene Pensionsalter für Männer (65 Jahre) und Frauen (60 Jahre) vorsieht. Die Regelung verstoße gegen die EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeitsfragen sowie gegen den im EU-Vertrag verankerten Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, heißt es.

Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit bisher ohne Ergebnis

Aus Besorgnis wegen der Veränderungen des polnischen Justizsystems hatte die EU-Kommission bereits 2016 ein allgemeines Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in dem Land eingeleitet. Diese Untersuchung führte bislang allerdings noch zu keinen für Brüssel befriedigenden Ergebnissen. Die EU-Kommission drohte deswegen zuletzt die Einleitung eines weiteren Verfahrens an, das im letzten Schritt sogar dazu führen könnte, dass Polen bei Abstimmungen im EU-Ministerrat sein Stimmrecht verliert. Eine Frist für Warschau läuft gegen Ende August 2017 aus.

Abänderung von Plänen für weitere Justizreformen nicht ausreichend

In letzten Stellungnahmen hatten Vertreter der EU-Kommission deutlich gemacht, dass es nicht ausreichen dürfte, lediglich Pläne für weitere Justizreformen zum Obersten Gericht und zu dem über die Unabhängigkeit der Justiz wachenden Landesrichterrat abzuändern. Gegen diese Vorhaben hatte Duda zuletzt ein Veto eingelegt, nachdem im Juli 2017 in Polen Zehntausende Menschen gegen die umstrittenen Gesetze protestiert hatten.

Redaktion beck-aktuell, 14. August 2017 (dpa).