Corona-Allgemeinverfügung des Landkreises Limburg-Weilburg teilweise rechtswidrig

Die Corona-Allgemeinverfügung des Landkreises Limburg-Weilburg ist insoweit rechtswidrig, als dort der Bewegungsradius für tagestouristische Ausflüge auf den Umkreis von 15 Kilometern des Wohnortes (politische Gemeinde) beschränkt wird. Denn insoweit sei die Verfügung zu unbestimmt – die Betroffenen könnten nicht eindeutig erkennen, was von ihnen verlangt werde, so das Verwaltungsgericht Wiesbaden. Als rechtmäßig erachtete es in dem Eilverfahren dagegen die in der Verfügung angeordneten nächtlichen Ausgangsbeschränkungen.

Verwendung des Begriffs "politische Gemeinde" moniert

Eine Allgemeinverfügung sei nur dann hinreichend bestimmt, wenn der Inhalt der getroffenen Regelung für die Beteiligten so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass sie ihr Verhalten danach ausrichten können, betont das VG. Bedenklich sei bereits die Verwendung des Begriffs "politische Gemeinde", da dieser Begriff für einen Großteil der Bevölkerung aus sich heraus nicht verständlich sein dürfte. In Gemeinden mit mehreren, eventuell weit verstreuten Ortsteilen werde so für deren Bewohner nicht hinreichend klar ersichtlich, ob die Grenzen des jeweiligen Ortsteils oder der Gesamtgemeinde gemeint seien.

Berechnung des Bewegungsradius nicht klar 

Unklar bleibe auch, so das VG, wie die 15 Kilometer ab dem Wohnort zu messen seien. Soweit der Landkreis argumentiert habe, es sei ab dem Punkt der Stadt- oder Gemeindegrenze zu messen, der dem avisierten Ziel am nächsten liege, lasse sich dies dem Wortlaut der Allgemeinverfügung in keiner Weise entnehmen. Nach der Formulierung in der Allgemeinverfügung sei es auch beispielsweise durchaus denkbar, dass eine Berechnung des "Bewegungsradius" ab dem Mittelpunkt der jeweiligen Gemeinde zu erfolgen habe.

Radius auch bei Überschreiten der Landkreis-Grenzen einzuhalten?

Auch habe der Landkreis darauf verzichtet, Erklärungen oder Auslegungshinweise zu der Allgemeinverfügung zu veröffentlichen, die zur Konkretisierung und zum besseren Verständnis der Regelung hätten beitragen können. So sei aus dem Wortlaut und der Begründung der Verfügung nicht klar erkennbar, ob die 15-Kilometer-Grenze auch bei Überschreiten der Grenzen des Landkreises gelten solle, sich also auf das räumliche Hoheitsgebiet des Landkreises beschränken oder sich auch außerhalb dessen fortsetzen solle.

Auch Begriff "tagestouristischer Ausflug" unklar

Schließlich werde der Begriff "tagestouristischer Ausflug" weder im Wortlaut der Allgemeinverfügung, beispielsweise durch die Aufzählung von Regelbeispielen, noch in der Begründung der Allgemeinverfügung näher erklärt, heißt es im Beschluss weiter. Soweit der Landkreis vorgetragen habe, bei tagestouristischen Ausflügen handele es sich nach seinem Verständnis um alle Unternehmungen, die der Freizeitgestaltung ohne Übernachtung dienten, sei diese Auslegung des Begriffs keineswegs zwingend, betont das VG. Dies zeige sich anschaulich bereits darin, dass der Begriff des tagestouristischen Ausfluges in anderen hessischen Gemeinden, die ihn in ihren Allgemeinverfügungen ebenfalls verwendeten, anders verstanden werde.

Auch sportliche Aktivität tagestouristischer Ausflug?

So falle in der Allgemeinverfügung des Landkreises Vogelsberg die Wintersportausübung gerade nicht unter den Begriff des tagestouristischen Ausflugs und im Landkreis Fulda stelle eine Wanderung in der Rhön als freizeitsportliche Aktivität keinen tagestouristischen Ausflug dar. Gerade die Frage, ob sportliche Aktivitäten oder Spaziergänge unter den Begriff der tagestouristischen Ausflüge fallen sollen oder nicht, sei für die Adressaten der Allgemeinverfügung des Landkreises Limburg-Weilburg nicht erkennbar, was insoweit zu deren Rechtswidrigkeit führe.

Zweifel an Geeignetheit zur Senkung der Infektionsfälle

Zudem habe das Gericht erhebliche Zweifel daran, ob die Beschränkung des Bewegungsradius für tagestouristische Ausflüge ernsthaft zur Senkung der Infektionsfälle im Landkreis Limburg-Weilburg beitragen könne. Stattdessen dürfte diese Maßnahme dazu führen, dass sich viele Bewohner des Landkreises, weil sie zumindest nach dem Verständnis des Antragsgegners keine freizeitsportlichen Aktivitäten oder Spaziergänge außerhalb des 15-Kilometer-Radius unternehmen dürften, in geschlossenen Räumen mit dritten Personen treffen würden, was das Infektionsrisiko nicht senken, sondern erhöhen würde, merkt das VG an.

Einhaltung des 15-Kilometer-Radius schwer überprüfbar

Auch sei die Einhaltung des 15-Kilometer-Radius im Einzelfall nur schwer überprüfbar und das Aussprechen von Betretungsverboten für bekannte Touristenmagneten stelle eine mildere und zugleich effektivere Maßnahme dar, um überlaufene touristische Ziele zu vermeiden, so das Gericht weiter.

Nächtliche Ausgangsbeschränkung hingegen rechtmäßig

Dagegen erachtete das VG die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen in Nr. 1 und 2 der Allgemeinverfügung für rechtmäßig. Die nächtliche Ausgangsbeschränkung im Zeitraum von 21.00 Uhr bis 5.00 Uhr sei zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie geeignet, da sie allgemein die Kontaktmöglichkeiten in der Bevölkerung während dieses Zeitraums beschränke. Es reiche hierfür aus, dass die zutreffende Maßnahme "ein Schritt in der richtigen Richtung" sei. So könnten durch die nächtliche Ausgangsbeschränkung private Treffen und Feiern in Familien- und Freundeskreis verhindert werden. Ein weniger belastendes Mittel, das den Erfolg mit gleicher Sicherheit gewähre, sei nicht ersichtlich, so das VG. Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger, der sich lediglich auf eine Dauer von acht Tagesstunden erstrecke, die zu großen Teilen in der üblichen Schlafenszeit zwischen 0.00 Uhr und 5.00 Uhr gelegen seien, stünden erhebliche Gefahren für hochrangige Schutzgüter wie das Leben, die Gesundheit und die körperliche Unversehrtheit einer potenziell sehr großen Zahl von Menschen gegenüber.

Ausgangsbeschränkung verhältnismäßig

Angesichts der hohen Infektionszahlen und zunehmenden Anzahl von Todesfällen bestehe aktuell die Gefahr, dass ohne die Beachtung, Überwachung und Durchsetzung einfachster Hygiene-Regeln, zu denen insbesondere die Kontaktbeschränkungen und Einhaltung eines Mindestabstands gehörten, die Infektionszahlen noch weiter ansteigen, das Gesundheitssystem überlastet und die Zahl der Todesfälle noch dramatischer ansteigen würde. Durch die in Nr. 2 der Allgemeinverfügung vorgesehenen Ausnahmen sei die Ausgangsbeschränkung auch verhältnismäßig, so das VG abschließend.

VG Wiesbaden, Beschluss vom 15.01.2021 - 7 L 31/21

Redaktion beck-aktuell, 20. Januar 2021.