VG Neustadt: "Hitler-Glocke" in Herxheim am Berg kann hängen bleiben

Die mit einem Hakenkreuz versehene und der Aufschrift "Alles fuer`s Vaterland – Adolf Hitler" versehene "Hitler-Glocke" im pfälzischen Herxheim am Berg kann hängen bleiben. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße am 22.10.2018 entschieden. Die Auffassung, die Glocke solle der Versöhnung dienen, sei als zulässige Meinungsäußerung hinzunehmen, zumal die Geschichte der Glocke durch eine Mahntafel erläutert werden solle. Eine Verhöhnung jüdischer Menschen, wie vom Kläger geltend gemacht, liege darin nicht (Az.: 3 K 751/18.NW und 3 K 802/18.NW).

"Hitler-Glocke" in Herxheim am Berg

Im Kirchturm der Protestantischen Kirche in Herxheim am Berg hängt seit dem Jahr 1934 eine mit einem Hakenkreuz und der Aufschrift "Alles fuer`s Vaterland - Adolf Hitler" versehene Glocke. Der Kirchturm, in dem die Glocke hängt, steht laut Evangelischer Kirche der Pfalz im Eigentum der protestantischen Kirchengemeinde Herxheim am Berg. Die Glocke ist Eigentum der politischen Gemeinde Herxheim am Berg.

Gemeinderat beschließt Glocke zur Versöhnung und als Mahnmal hängen zu lassen

Der Gemeinderat der Gemeinde Herxheim am Berg befasste sich in der Gemeinderatssitzung am 12.03.2018 mit der Frage, was mit der Glocke geschehen solle, und beschloss in geheimer Abstimmung, "die Polizeiglocke aus dem Jahr 1934 im Turm der Jakobskirche in Herxheim am Berg als Anstoß zur Versöhnung und Mahnmal gegen Gewalt und Unrecht weiterhin hängen zu lassen."

Kläger rügt unzumutbare Verspottung und Verhöhnung der jüdischen Opfer

Der Kläger begehrte mit seiner Klage die Feststellung, dass dieser Gemeinderatsbeschluss rechtswidrig und deshalb aufzuheben sei. Der Kläger erhob auch gegen den Bürgermeister der Gemeinde Herxheim am Berg Klage. Er beantragte, ihm die Äußerung zu verbieten, das Läuten der Glocke diene der Versöhnung mit den Opfern der Nazizeit. Als deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens und als Blutsverwandter von Überlebenden des KZ Dachau sehe er in dieser Aussage eine unzumutbare Verspottung und Verhöhnung der Opfer des Hitlerterrors und des Holocaust sowie deren Nachfahren. Er verweise ausdrücklich auf die Stellungnahme des Zentralrates der Juden in Deutschland, in der es als unerträglich erklärt werde, dass die Glocke als Zeichen der Versöhnung mit den Opfern der Nazizeit weiter läuten solle.

VG: Klagebefugnis gegeben

Das VG hat beide Klagen abgewiesen. Der Kläger sei allerdings klagebefugt und könne sich somit sowohl gegen den Gemeinderatsbeschluss als auch die zitierte Äußerung des Bürgermeisters wenden. Dies ergibt sich laut VG aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 1979 (GRUR 1980, 67), wonach die jüdischen Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihres singulären Verfolgungsschicksals eine scharf abgegrenzte Volksgruppe darstellten. Es gehöre zu ihrem personalen Selbstverständnis, als zugehörig zu einer durch das Schicksal herausgehobenen Personengruppe begriffen zu werden, der gegenüber eine besondere moralische Verantwortlichkeit aller anderen bestehe, und das Teil ihrer Würde sei. Die Achtung dieses Selbstverständnisses sei für jeden von ihnen geradezu eine der Garantien gegen eine Wiederholung solcher Diskriminierung und eine Grundbedingung für ihr Leben in der Bundesrepublik.

Persönliches Betroffensein auch ohne selbst erlittene Verfolgung

Dem persönlichen Betroffensein stehe dabei nicht entgegen, dass eine Person selbst jener Verfolgung nicht ausgesetzt war. Nicht das persönlich erlittene Verfolgungsschicksal sei das verbindende Kriterium, sondern der geschichtliche Vorgang, mit dem das Persönlichkeitsbild jedes in der Bundesrepublik lebenden Juden, seine personale und soziale Stellung gegenüber seinen deutschen Mitbürgern belastet sei. Der Kreis der Betroffenen beschränke sich daher nicht auf die Juden, die unter der Verfolgung des "Dritten Reiches" gelitten und sie überlebt hätten. Das entsetzliche Geschehen präge in der Bundesrepublik das Bild ihrer Bürger jüdischer Abstammung schlechthin. Sie verkörperten diese Vergangenheit, auch wenn sie selbst an ihr nicht hätten teilhaben müssen.

Äußerung des Bürgermeisters und Gemeinderatsbeschluss aber als zulässige Meinungsäußerung hinzunehmen

Das VG hat die Klagen aber für unbegründet erachtet. Bei der von dem Kläger beanstandeten Äußerung des Bürgermeisters und dem Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Herxheim am Berg handele es sich um eine Meinungsäußerung und nicht um eine Tatsachenbehauptung, weil die Beantwortung der Frage nach einer versöhnenden Wirkung der in Rede stehenden Glocke keiner Beweisaufnahme zugänglich sei, sondern maßgeblich von wertenden Elementen abhängig sei. Eine solche Meinungsäußerung löse dann einen Unterlassungsanspruch aus, wenn sie primär auf eine Herabsetzung einer Person oder Personengruppe und nicht auf eine Auseinandersetzung in der Sache ziele. Dies lasse sich im vorliegenden Fall trotz des umfangreichen Vorbringens des Klägers nicht feststellen.

Äußerung keine Verhöhnung jüdischer Menschen

Unabhängig davon, wie man inhaltlich zu der Meinungsäußerung der Beklagten stehe, sei sie Teil der Auseinandersetzung um den weiteren Umgang mit der in Rede stehenden Glocke und diene auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht der Verhöhnung Menschen jüdischer Abstammung. Denn die Auffassung, die Glocke solle im Turm verbleiben und als Anstoß zur Versöhnung dienen, weise bei objektiver Betrachtungsweise einen greifbaren Sachbezug auf und sei deshalb als Meinungsäußerung hinzunehmen, zumal nach dem mehrheitlichen Willen des Ortsgemeinderats die Geschichte der Glocke durch eine Mahntafel erläutert werden solle.

VG Neustadt a.d. Weinstraße, Urteil vom 22.10.2018 - 3 K 751/18

Redaktion beck-aktuell, 23. Oktober 2018.