VG Neustadt a.d. Weinstraße: Verfassungsmäßigkeit der Neuregelungen des Landesfinanzausgleichsgesetzes auf dem Prüfstand

Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz soll klären, ob die am 01.01.2014 in Kraft getretenen Neuregelungen im Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) rechtens ist. Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat mit Beschlüssen vom 13.05.2019 drei Klageverfahren ausgesetzt und die Frage der Vereinbarkeit der Neuregelungen mit der rheinland-pfälzischen Verfassung dem Gerichtshof vorgelegt (Az.: 3 K 147/16.NW, 3 K 602/16.NW und 3 K 415/16.NW).

Streit um Zuweisungen des Landes im Rahmen kommunalen Finanzausgleichs

Verhandelt wurden zwei Klagen der Stadt Pirmasens und eine Klage des Landkreises Kaiserslautern gegen das Land Rheinland-Pfalz. In allen drei Verfahren geht es um Zuweisungen des Landes im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs für die Jahre 2014 und 2015. Die Stadt Pirmasens hat für das Jahr 2014 Zuweisungen in Höhe von 19.994.196 Euro und für das Jahr 2015 in Höhe von 19.749.381 Euro erhalten, der Landkreis Kaiserslautern für das Jahr 2015 Zuweisungen in Höhe von 23.785.228 Euro. Diese Zuweisungen beruhen auf dem Landesfinanzausgleichgesetz (LFAG 2014) vom 01.01.2014.

Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs nach VerfGH-Urteil von 2012 erforderlich

Eine Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs war zum 01.01.2014 erforderlich geworden, weil der VerfGH Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 14.02.2012 (NVwZ 2012, 1034) die §§ 5 bis 13 LFAG 1999 in der Fassung vom 12.06.2007 für mit Art. 49 Abs. 6 LV für unvereinbar erklärt hatte. Die von den Kommunen zu tragenden Soziallasten schränkten den haushaltspolitischen Gestaltungsspielraum der Kommunen ein und trügen zu deren prekärer Finanzlage bei. Seiner Mitverantwortung insbesondere für die Finanzierung der hohen Sozialausgaben und der hieraus folgenden finanzielle Schieflage der Kommunen im Jahr 2007 habe der Gesetzgeber bei der Bemessung der Finanzausgleichsmittel nicht angemessen Rechnung getragen. Daher sei der Finanzausgleich insbesondere im Hinblick auf die Soziallasten jedenfalls ab dem 01.01.2014 neu zu regeln.

Verfassungswidrigkeit auch der Neuregelung geltend gemacht 

Der Gesetzgeber hat in Folge dieses Urteils des VerfGH Rheinland-Pfalz den kommunalen Finanzausgleich zum 01.01.2014 teilweise neu geregelt. Er hat insbesondere mit § 9a LFAG 2014 die Schlüsselzuweisungen C zum Ausgleich von Sozialbelastungen der Kommunen eingeführt. Die Kläger halten die Neuregelungen wiederum für unvereinbar mit Art. 49 Abs. 6 LV und auch für unvereinbar mit Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG. Sie sind der Auffassung, der Gesetzgeber habe die prekäre Finanzlage, vor allem die hohen Soziallasten und den hohen Stand der Liquiditätskredite, bei der Neuregelung nicht genügend berücksichtigt. Das Land Rheinland-Pfalz erachtet die von ihm nach dem LFAG 2014 den Gemeinden und Gemeindeverbände geleisteten Zuweisungen für die Jahre 2014 und 2015 dagegen für angemessen.

VG: Kommunen müssen Entscheidungen des Finanzausgleichgesetzgebers nachvollziehen können

Das VG sieht die in der Landesverfassung garantierten verfahrensrechtlichen Mindestanforderungen bei der Änderung des LFAG zum 01.01.2014 als verletzt an. Der Gesetzgeber habe bei seinen Entscheidungen über den kommunalen Finanzausgleich die wesentlichen Ergebnisse seiner Ermittlungen hinsichtlich der dem Land und den Kommunen obliegenden Aufgaben- und Ausgabenlasten sowie der Einnahmensituation nachvollziehbar darzulegen und durch Aufnahme in die Gesetzesmaterialien transparent zu machen. Nur durch eine derartige Transparenz würden die Entscheidungen des Finanzausgleichgesetzgebers für die Kommunen nachvollziehbar, was zur Akzeptanz beitrage und den Kommunen eine gewisse Rechts- und Planungssicherheit vermittele.

Ermittlungsergebnisse zu Finanzsituation der Kommune gehören in Gesetzesmaterialien

Die wesentlichen Ergebnisse seiner Ermittlungen zur Finanzsituation der Kommunen und des Landes im Gesetzgebungsverfahren habe der Gesetzgeber, auch um eine gerichtliche Prüfung im Hinblick auf dessen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum bei der Regelung des kommunalen Finanzausgleichs zu ermöglichen, in die Gesetzesmaterialien aufzunehmen und nachvollziehbar darzulegen. Diese Verfahrenserfordernisse sieht das Gericht bei der Neuregelung des LFAG zum 01.01.2014 als nicht eingehalten an.

Ausstattung der Kommunen nicht angemessen

Das VG hält aber auch die finanzielle Ausstattung der Kommunen aufgrund des LFAG 2014 für unvereinbar mit Art. 49 Abs. 6 LV. Nach Art. 49 Abs. 6 LV sei die Finanzausstattung der Kommunen grundsätzlich nur dann angemessen, wenn die kommunalen Finanzmittel ausreichten, um den Gemeinden und Gemeindeverbänden die Erfüllung aller zugewiesenen und im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung auch die Wahrnehmung selbstgewählter Aufgaben zu ermöglichen. Die Finanzausstattungsgarantie des Art. 49 Abs. 6 LV sei in der Regel dann verletzt, wenn in einer Gesamtbetrachtung den Kommunen die zur Wahrnehmung eines Minimums freier Aufgaben zwingend erforderliche Finanzausstattung vorenthalten und so einer sinnvollen Betätigung der Selbstverwaltung die Grundlage entzogen werde.

Strukturelles Finanzdefizit nicht ausreichend berücksichtigt

Aufgrund der dem Gericht unterbreiteten Finanzdaten gelangte das VG zur Überzeugung, dass der Gesetzgeber bei der nach Art. 49 Abs. 6 LV gebotenen angemessenen Finanzausstattung der Kommunen auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Kommunen eine größtmögliche Kraftanspannung hinsichtlich ihrer Finanzen zu leisten hätten, deren strukturelles Finanzdefizit bei der Neuregelung des LFAG 2014 nicht angemessen berücksichtigt habe.

VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschluss vom 13.05.2019 - 3 K 147/16

Redaktion beck-aktuell, 5. Juni 2019.