VG Freiburg: Kein psychiatrisches Gutachten allein wegen Zurechnung eines Fahrerlaubnisinhabers zur "Reichsbürgerbewegung"

Die Zurechnung eines Fahrerlaubnisinhabers zur sogenannten Reichsbürgerbewegung berechtigt die Fahrerlaubnisbehörde nicht zur Anforderung eines psychiatrischen Gutachtens. Denn abwegige und abstruse Äußerungen rechtlicher oder tatsächlicher Art stellten für sich allein noch keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme einer die Fahreignung beeinträchtigenden psychischen Gesundheitsstörung dar, stellte das Verwaltungsgericht Freiburg klar. Es gab dem Eilantrag eines von der Stadt Freiburg als sogenannter "Reichsbürger“ eingestuften Fahrerlaubnisinhabers statt (Beschluss vom 09.08.2017, Az.: 4 K 4224/17, nicht rechtskräftig).

Stadt entzog Führerschein mit sofortiger Wirkung

Die Stadt hatte dem Antragsteller mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis wegen seiner Verweigerung der Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens entzogen, die sie zur Klärung von Zweifeln an seiner gesundheitlichen Eignung zum Führen eines Fahrzeugs angeordnet hatte. Diese Gutachtensanordnung hat die Stadt unter anderem mit der Zugehörigkeit des Antragstellers zur Reichsbürgerbewegung begründet. Diese Bewegung zeichne sich dadurch aus, dass sie die deutschen Gesetze nicht anerkenne und sich nicht daran gebunden fühle und dass der Antragsteller es als sein Recht und seine Pflicht ansehe, sich gegen Maßnahmen des Staates notfalls auch mit Gewalt zur Wehr zu setzen. Ferner zeige sein Verhalten gegenüber Polizeibeamten anlässlich der Vollstreckung eines gegen seine Tochter gerichteten Durchsuchungsbeschlusses, dass sein Auftreten nicht querulantisch sei, sondern auf einen Realitätsverlust hindeute.

VG verneint Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung

Das genügte dem VG Freiburg nicht, um damit eine Gutachtensanforderung zu rechtfertigen. An die Anlassbezogenheit und Verhältnismäßigkeit der Anforderung gerade auch eines psychiatrischen Gutachtens seien strenge Anforderungen zu stellen, weil die Weigerung, sie zu befolgen, die einschneidende Folge des Fahrerlaubnisentzugs habe.

Keine tatsächlichen Anhaltspunkte für fehlende Kraftfahreignung benannt

Daran gemessen seien in der Anordnung der Stadt Freiburg keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte benannt, aus denen sich berechtigte, für den Antragsteller nachvollziehbare Zweifel an seiner Kraftfahreignung ergeben. Die Gutachtensanordnung beziehe sich ausschließlich auf vom Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin vorgetragenen Überlegungen, mit denen er die Existenz der Bundesrepublik Deutschland sowie die Legitimation der Behörden bestreitet und die geltenden Rechtsvorschriften als ungültig ansieht.

Abstrus und abwegig erscheinende Äußerungen reichen nicht aus

Über diese abstrus und abwegig erscheinenden Äußerungen hinaus würden in der Anordnung jedoch keine Anhaltspunkte für eine psychische, die Fahreignung beeinträchtigende Erkrankung genannt. Solche ergäben sich auch nicht aus den Ausführungen des Antragstellers zum Widerstandsrecht. Die Stadt habe auch keine konkreten Vorfälle genannt, bei denen der Antragsteller gegen geltende Rechtsvorschriften verstoßen und dabei Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung gegeben habe. Schließlich habe der Antragsteller zwar die Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses gegenüber den Polizeibeamten angezweifelt, letzten Endes aber auf seine aufgebrachte Tochter derart eingewirkt, dass sie ihren Führerschein freiwillig ausgehändigt habe. Das zeige, dass der Antragsteller zwar die Gültigkeit von Normen und Behördenmaßnahmen verbal in Frage stelle, sich aber sein Handeln an die Vorgaben der Rechtsordnung und dabei insbesondere der Straßenverkehrsordnung halte.

VG Freiburg, Beschluss vom 09.08.2017 - 4 K 4224/17

Redaktion beck-aktuell, 17. August 2017.