Vergleich in Musterfeststellungklage: VW-Dieselfahrer bekommen bis 6.257 Euro Entschädigung

Mehr als eine Viertelmillion VW-Dieselkunden sollen je nach Modell und Alter ihres Autos Entschädigungen zwischen 1.350 und 6.257 Euro erhalten. Darauf einigten sich Volkswagen und der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) in ihren Vergleichsverhandlungen zur Musterklage. Durchschnittlich sollten rund 15% des ursprünglichen Kaufpreises ausgezahlt werden, teilten die Verbraucherschützer am 28.02.2020 in Berlin mit. Rund 260.000 Geschädigte sollen ein entsprechendes Angebot erhalten. Sie können dann selbst entscheiden, ob sie dies annehmen oder in Einzelklagen weiter für mehr Geld streiten wollen.

VW will 830 Millionen Euro bereitstellen und Kosten der Abwicklung tragen

Volkswagen plane für die Entschädigungen eine geschätzte Gesamtsumme von 830 Millionen Euro ein, teilte der Verband mit. Der Autokonzern bestätigte dies. Die Summe hatte bereits zuvor im Raum gestanden, beide Seiten hatten ihre außergerichtlichen Gespräche aber zunächst überraschend abgebrochen. Außerdem trage VW vollständig die Kosten für die Abwicklung des Vergleichs und die Rechtsberater der Dieselfahrer. Unabhängige Wirtschaftsprüfer sollten die Umsetzung stichprobenartig prüfen. Für mögliche Streitfragen soll eine Ombudsstelle eingerichtet werden.

Nur für Käufer mit Wohnsitz in Deutschland und nur für Käufe vor 2016

Kein Vergleichsangebot werden Dieselbesitzer bekommen, die ihr Auto nach dem 31.12.2015 gekauft haben oder zum Zeitpunkt des Kaufs ihren Wohnsitz nicht in Deutschland hatten. "Wir finden zwar, dass auch diese Menschen Ansprüche haben", sagte Müller. Die Grundlagen seien aber so individuell, dass sie im Rahmen einer Musterklage nicht geklärt werden könnten. Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei weltweit Millionen von Dieselautos aus dem VW-Konzern war Ende September 2015 öffentlich geworden.

Angebot endet vor BGH-Verhandlung zum Dieselskandal

Die Betroffenen müssten nun bis zum 20.04.2020 entscheiden, ob sie das Vergleichsangebot von VW annehmen wollten, so die Verbraucherschützer. Volkswagen habe auf diesem Termin bestanden, da sich der Bundesgerichtshof am 05.05.2020 erneut mit dem Dieselbetrug befassen will. Unter anderem werde es in Karlsruhe dann voraussichtlich darum gehen, ob Schadensersatzansprüche und eine Nutzungsentschädigung gerechtfertigt seien. Damit trügen sowohl VW als auch die Dieselfahrer ein gewisses Risiko. "Wer weniger Risiko eingehen möchte, kann den Vergleich annehmen", sagte Müller.

Einigung dank Schlichter

Die Verbraucherzentralen hatten stellvertretend für mehrere Hunderttausend Dieselfahrer eine Musterfeststellungsklage eingereicht, um Schadenersatz für Autos mit zu hohen Abgaswerten zu erstreiten. Eine erste Runde von Vergleichsverhandlungen hatten VW und der Verband kürzlich ausgesetzt. Sie schoben sich danach gegenseitig die Verantwortung dafür zu, den Zeitdruck durch Ultimaten jeweils erhöht zu haben - am Ende platzte die eigentlich schon angepeilte Lösung. Danach sprachen sie mit einem Schlichter jedoch weiter. Volkswagen-Rechtsvorständin Hiltrud Werner sprach nun von einer "fairen und praktikablen Vergleichslösung". Der Chef des Braunschweiger Oberlandesgerichts, Wolfgang Scheibel, habe durch sein "konstruktives Vorgehen" eine Einigung ermöglicht.

vzbv zufrieden mit erreichtem Ergebnis

Die Musterfeststellungsklage werde nun beendet, teilten die Verbraucherschützer am 28.02.2020 mit. "Der vzbv hat für mehr gestritten. Aber im Rahmen der schwierigen Verhandlungen ist das Ergebnis das maximal Erreichbare", sagte Vorstand Klaus Müller. Das Angebot von VW liege im Rahmen der bisher vor deutschen Gerichten in ähnlichen Prozessen erzielten Entschädigungssummen.

Kanzlei rät von Annahme des Vergleichs ab

Der Rechtsanwalt Claus Goldenstein rät den betroffenen Haltern, das Angebot nicht anzunehmen. Seine Kanzlei Goldenstein & Partner vertritt mehr als 17.000 Mandanten im Dieselskandal. "Volkswagen möchte sich gern zeitnah mit allen berechtigten Teilnehmern auf eine Entschädigung einigen. Der Konzern weiß nämlich, dass die betroffenen Verbraucher eigentlich deutlich höhere Summen durchsetzen könnten", so Goldenstein. Wer das aktuelle Vergleichsangebot annehme, müsse seinen manipulierten Pkw behalten und auf weitere Rechtsansprüche verzichten.

VW pochte auf transparente Abwicklung

VW-Chefjustiziar Manfred Döss betonte: "Wichtig war beiden Seiten, dass eine unabhängige Kontrolle der Umsetzung und eine transparente Abwicklung des Vergleichs erfolgt." Beides sei gewährleistet. "Zusätzlich unterstützt Volkswagen im Bedarfsfall und auf Wunsch auch eine anwaltliche Beratung."

Redaktion beck-aktuell, 28. Februar 2020 (dpa).