VerfGH Bayern: Volksbegehren zur Begrenzung des Flächenverbrauchs unzulässig

Das Volksbegehren "Damit Bayern Heimat bleibt – Betonflut eindämmen" zur Einführung einer verbindlichen Höchstgrenze für den Flächenverbrauch in Bayern ist unzulässig. Dies hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof am 17.07.2018 entschieden. Der Gesetzentwurf selbst hätte die Kriterien über die Aufteilung des zulässigen Flächenverbrauchs auf die verschiedenen Planungsträger enthalten müssen, da es sich dabei um wesentliche, vom Gesetzgeber selbst zu treffende Entscheidungen handele (Az.: Vf. 28-IX-18).

Volksbegehren zur Begrenzung des Flächenverbrauchs

Der Gesetzentwurf des Volksbegehrens sieht eine Ergänzung des Bayerischen Landesplanungsgesetzes vor, wonach der Flächenverbrauch ab dem Jahr 2020 auf durchschnittlich fünf Hektar pro Tag begrenzt wird. Die Aufteilung der Zielvorgabe auf die verschiedenen Planungsträger soll im Landesentwicklungsprogramm erfolgen. Für ihr Anliegen haben die Initiatoren des Volksbegehrens 48.225 Unterschriften gesammelt. Das Bayerische Innenministerium hat die Zulassung des Volksbegehrens abgelehnt und die Sache daher gemäß Art. 64 Landeswahlgesetz dem VerfGH zur Entscheidung vorgelegt. Es monierte, dass der Gesetzentwurf die Kriterien für die Aufteilung der Zielvorgabe nicht vorgebe.

VerfGH: Flächenverbrauchsgrenze beeinträchtigt kommunale Planungshoheit

Laut VerfGH liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nicht vor. Der Gesetzentwurf zur Begrenzung des Flächenverbrauchs in Bayern verstoße gegen die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, die wesentlichen Bestimmungen einer Sachmaterie selbst zu regeln. Wie der VerfGH ausführt, beeinträchtige die Vorgabe einer Flächenverbrauchsgrenze die durch das Selbstverwaltungsrecht gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Bayerische Verfassung gewährleistete kommunale Planungshoheit. Denn die Planungsmöglichkeiten der Gemeinden würden ab dem Jahr 2020 eingeschränkt. Der dann noch zulässige tägliche Flächenverbrauch würde sich im Vergleich zum Jahr 2016 in etwa halbieren. Es liege auf der Hand, dass für eine Reihe von Kommunen beabsichtigte Planungen nicht oder nicht mehr im gewünschten Umfang möglich wären. Diese Beeinträchtigung eines grundrechtsähnlichen Rechts werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass es den Gemeinden unbenommen bleibt, den Innenbereich zu entwickeln, also Flächen (neu) zu überplanen, die bereits für Siedlungs- und Verkehrszwecke in Anspruch genommen wurden und daher keine "Freiflächen" im Sinn des Gesetzentwurfs darstellen. Denn zur kommunalen Planungshoheit gehöre auch die Befugnis, gemeindliche Vorhaben auf Flächen im Außenbereich zu realisieren.

Erforderliche Kriterien für Aufteilung der Zielvorgabe fehlen

Auch wenn in einer flächenbezogenen Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit nicht zwingend ein von vornherein unzulässiger Eingriff in den Kernbestand des kommunalen Selbstverwaltungsrechts liege, müsse die vom Gesetzgeber getroffene Regelung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Hierzu bedürfe es einer Güterabwägung zwischen dem betroffenen Bereich der Selbstverwaltung und den durch dessen Begrenzung zu schützenden Interessen des öffentlichen Wohls. Der VerfGH moniert, dass sich dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens eine solche Güterabwägung nicht entnehmen lasse. Denn darin fehlten die erforderlichen Kriterien, nach denen die Staatsregierung als Verordnungsgeber des Landesentwicklungsprogramms die Aufteilung der Zielvorgabe auf die einzelnen Planungsträger vorzunehmen hätte. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs solle die Aufteilung auf die kommunalen Planungsträger nach anerkannten und statistisch verfügbaren Kriterien erfolgen, wie etwa der Bevölkerungsstärke der jeweiligen Kommune und gegebenenfalls gestaffelt nach Größenklassen der Kommunen, wobei diese beispielhafte Aufzählung nicht abschließend sei. Ferner bleibe unklar, was unter "anerkannten" Kriterien zu verstehen sei. Weder der Systematik des Gesetzentwurfs noch seiner Begründung seien hinreichende Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, welche konkreten Vorgaben für die Aufteilung maßgeblich sein sollen.

Aufteilungskriterien wegen weitreichender Folgen vom Gesetzgeber selbst zu regeln

Der VerfGH weist darauf hin, dass sich abhängig von den Aufteilungskriterien sehr unterschiedliche Auswirkungen für die einzelnen kommunalen Planungsträger ergeben könnten. Bei dem zugrunde liegenden Maßstab handele es sich um keine bloße verfahrenstechnische Umsetzung der bereits im Gesetzentwurf vorgegebenen Aufteilung. Es gehe vielmehr um eine grundlegende Weichenstellung mit Folgen nicht nur für die kommunale Planungshoheit, sondern auch für konkurrierende, ebenfalls aus der Bayerischen Verfassung abgeleitete Interessen des öffentlichen Wohls, wie etwa den Schutz des Bodens als natürliche Lebensgrundlage, die Förderung und Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Bayern, die Schaffung von ausreichendem Wohnraum oder die Sicherung von Arbeitsplätzen und wirtschaftlicher Leistungskraft. Bei der in diesem Zusammenhang erforderlichen Auswahl der maßgeblichen Kriterien sowie der Festlegung von Vorgaben für eine mögliche Gewichtung oder Priorisierung stellten sich Fragen von wesentlicher Bedeutung für die kommunale Planungshoheit und andere verfassungsrechtlich geschützte Werte. Die damit verbundenen normativen Wertungen, die Auswirkungen auf den Flächenverbrauch in ganz Bayern hätten und die gesamtstaatliche Verantwortung für die landesweite Raumordnung beträfen, müsse der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums selbst vornehmen. Eine solche gesetzgeberische Entscheidung könne zwar komplexe Überlegungen und Abwägungen erfordern. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass sie von vornherein faktisch unmöglich wäre.  

Zustimmungsvorbehalt zum Landesentwicklungsprogramm macht Kriterien nicht entbehrlich

Schließlich seien Kriterien zur Verteilung der Zielvorgabe im Gesetzentwurf nicht deshalb entbehrlich, weil das Landesentwicklungsprogramm als Rechtsverordnung der Staatsregierung nur mit Zustimmung des Landtags erlassen werden kann, so der VerfGH weiter. Dieser Zustimmungsvorbehalt führe nicht dazu, dass der Gesetzgeber von seiner Verantwortung entbunden wäre, das Wesentliche selbst zu regeln. Die Tätigkeit des Landtags sei insoweit Beteiligung an der Rechtsetzung, aber nicht originäre Gesetzgebung.

Redaktion beck-aktuell, 17. Juli 2018.