VerfGH Baden-Württemberg: Verfassungsbeschwerde gegen Beschluss in OWi-Verfahren wegen grober Zuständigkeitsverletzung teilweise erfolgreich

Entscheidet ein Richter zugleich über ein Ablehnungsgesuch gegen die erkennende Richterin und über eine erhobene Anhörungsrüge, verletzt dies wegen grober Missachtung der Zuständigkeiten das Recht auf den gesetzlichen Richter. Dies hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg mit Urteil vom 23.09.2019 entschieden und einen Beschluss des Amtsgerichts Bad Urach teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen (Az.: 1 VB 65/17).

Gleichzeitige Entscheidung über Ablehnungsgesuch und Anhörungsrüge gerügt

Die Beschwerdeführerin wandte sich im Ausgangsverfahren als Halterin eines Kraftfahrzeugs gegen einen Kostenbescheid nach § 25a StVG. In dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 18.05.2017 hatte das Amtsgericht Bad Urach einen Rechtsbehelf der Beschwerdeführerin gegen den Kostenbescheid zurückgewiesen. Über die gegen den Beschluss erhobene Anhörungsrüge und das gegen die erkennende Richterin gestellte Ablehnungsgesuch entschied in der Folge ein anderer Richter des Gerichts. In dem Beschluss vom 18.09.2017, der ebenfalls mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen wurde, stellte dieser fest, Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Die Anhörungsrüge sei unbegründet, da die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren angehört worden sei und sich das Gericht mit deren Vorbringen auch auseinandergesetzt habe. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügte die Beschwerdeführerin unter anderem eine Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter durch die gleichzeitige Entscheidung über das Ablehnungsgesuch und die Anhörungsrüge im Beschluss vom 18.09.2017.

VerfGH: Grobe Missachtung der Zuständigkeit für Entscheidung über Anhörungsrüge 

Der VerfGH hat der Verfassungsbeschwerde teilweise stattgegeben. Der Beschluss des AG Bad Urach vom 18.09.2017 verletze das Recht der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter (Art. 2 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg in Verbindung mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), soweit darin die Anhörungsrüge zurückgewiesen werde. Der handelnde Richter sei für die Entscheidung über die Anhörungsrüge nicht zuständig gewesen, auch wenn er der geschäftsplanmäßige Vertreter der abgelehnten Richterin gewesen sei. Ein Ablehnungsgesuch begründe keinen Vertretungsfall. Dieser Zuständigkeitsverstoß stelle auch nicht nur eine bloß fehlerhafte Rechtsanwendung dar, die für sich alleine noch keinen Verfassungsverstoß begründen könne. Denn der handelnde Richter sei unter grober Missachtung des Gesetzesrechts von seiner Entscheidungszuständigkeit in der Sache ausgegangen. Die anderen Rügen der Beschwerdeführerin blieben dagegen erfolglos. Der VerfGH hat den Beschluss vom 18.09.2017 aufgehoben, soweit darin die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin zurückgewiesen wird, und die Sache insoweit zur erneuten Entscheidung an das AG Bad Urach zurückverwiesen.

Redaktion beck-aktuell, 2. Oktober 2019.