13. Senat verneint Prozessfähigkeit wegen krankhafter Querulanz
Der Beschwerdeführer führt eine Vielzahl von Verfahren an baden-württembergischen Gerichten, auch am Finanzgericht Baden-Württemberg. Im Frühjahr 2017 hatte der 13. Senat des Finanzgerichts nach einem entsprechenden Hinweis und mündlicher Verhandlung eine Klage des Beschwerdeführers mit der Begründung abgewiesen, die Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers sei nicht feststellbar. Vielmehr sei von einer krankhaften Form der Querulanz auszugehen.
1. Senat lehnte PKH-Anträge wegen fehlender Prozessfähigkeit ab
Mit Beschlüssen vom 09.01.2017 lehnte der 1. Senat des Finanzgerichts drei Anträge des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für noch einzuleitende Rechtsbehelfsverfahren ab. Der Senat habe ebenfalls durchgreifende Bedenken gegen die Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers. Dieser habe seine Prozessfähigkeit weder glaubhaft gemacht noch wenigstens solche Tatsachen oder Gründe vorgetragen, die für eine Prozessfähigkeit sprechen könnten. Anhörungsrügen des Beschwerdeführers gegen die Beschlüsse blieben erfolglos.
Beschwerdeführer rügte Grundrechtsverletzungen durch Beschlüsse
Gegen die Beschlüsse des 1. Senats legte der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde ein. Er rügte eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, des Willkürverbots und der Rechtsschutzgarantie. Er machte unter anderem geltend, der FG-Senat wäre verpflichtet gewesen, ihm vor der Beschlussfassung bekanntzugeben, dass und aus welchem Grund er an seiner Prozessfähigkeit zweifelte, und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Er hätte ihn auch persönlich anhören müssen.
VerfGH: Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt - Unzulässige Überraschungsentscheidungen
Der VerfGH hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben. Er hat die Beschlüsse des 1. Senats aufgehoben und die Sachen an das Finanzgericht zurückverwiesen. Die Beschlüsse verletzten den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör aus Art. 2 Abs. 1 der Landesverfassung Baden-Württemberg in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG. Es handele sich um unzulässige Überraschungsentscheidungen.
Beschwerdeführer musste mit Zweifeln auch des 1.Senats an seiner Prozessfähigkeit nicht rechnen
Der Beschwerdeführer habe entgegen der Ansicht des Finanzgerichts nicht damit rechnen müssen, dass auch der 1. Senat Bedenken gegen seine Prozessfähigkeit habe. Dass der Senat das Urteil des 13. Senats und die auf dieses Urteil ergangene Prozesskostenhilfeentscheidung des Bundesfinanzhofs gekannt habe und mithin senatsübergreifend Entscheidungen weitergegeben würden, habe dem Beschwerdeführer nicht bekannt sein müssen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass in der Zeit vor den Beschlüssen des 1.Senats die Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers allgemein und nicht nur von einem Senat des Finanzgerichts bezweifelt worden sei.
Rechtsschutzgarantie ebenfalls verletzt
Laut VerfGH verletzen die Beschlüsse darüber hinaus die Rechtsschutzgarantie des Art. 67 Abs. 1 LV. Die Anwendung der Vorschriften über die Prozessfähigkeit durch das Finanzgericht in den Beschlüssen werde der Bedeutung und Tragweite der Rechtsschutzgarantie des Betroffenen nicht in dem von der Landesverfassung gebotenen Umfang gerecht. Indem das Finanzgericht ohne ausreichende Begründung und ohne erkennbare Rechtfertigung von der Auslegung der Vorschriften über die Prozessfähigkeit durch die höchstrichterliche Rechtsprechung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abweicht, werde der Zugang zum finanzgerichtlichen Verfahren für den Beschwerdeführer unzumutbar erschwert.
Persönliche Anhörung des Beschwerdeführers ohne Begründung unterlassen
Wie der VerfGH ausführt, habe das Finanzgericht weder in den Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe eigene Ermittlungen hinsichtlich der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers angestellt noch dargelegt, weshalb ohne Ausschöpfung der Erkenntnismöglichkeit einer persönlichen Anhörung des Beschwerdeführers mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die angestrebten Klagen und der angestrebte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mangels Prozessfähigkeit unzulässig sind. Ebenso wenig habe der Senat begründet, weshalb eine Beweisaufnahme zur Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers von vorneherein habe außer Betracht bleiben können oder mit großer Wahrscheinlichkeit das Ergebnis erbracht hätte, der Beschwerdeführer sei prozessunfähig.