Urheberrechtsreform mit Regeln fürs Internet vor nächstem Schritt

Der Urheber eines Werkes – das klingt nach einer alten Zeit. Laut Duden ist das Wort Urheber mindestens seit dem 15. Jahrhundert in Gebrauch als eine Ableitung des mittelhochdeutschen "urhap". In Deutschland geht es derzeit wieder um Urheber: Das Recht soll auf die digitale Welt angewandt werden, die größte Gesetzesreform in diesem Bereich seit zwei Jahrzehnten steht an. Noch im Januar 2021 will sich die Bundesregierung mit der Novelle befassen.

 

EU-Richtlinie bis Sommer umzusetzen

Die EU verabschiedete bereits 2019 eine Richtlinie, bis Sommer 2021 muss sie in nationales Recht umgesetzt sein. Im Kern geht es darum, Regeln rund um das Internet und das Verhältnis zwischen Urheber, Internet-Plattformen und den Nutzern festzulegen. Wann darf man ein Werk oder Ausschnitte daraus auf einer Plattform hochladen? Und wer ist bei Missbrauch verantwortlich? Solche Fragen stehen dabei im Mittelpunkt. Von der EU-Reform ist vielen vor allem das in Erinnerung geblieben: Junge Leute, die sich auf großen Demos über drohende Upload-Filter im Netz aufregten. Jetzt geht es deutlich geräuschloser zu. Einen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vom Oktober 2020 werten viele Seiten im Großen und Ganzen als gangbaren Kompromiss – doch es gibt einige Knackpunkte.

Lizenzfreies Hochladen geschützter Werke umstritten

Ein Passus im Entwurf brachte vor allem Verleger und die Musikbranche in Aufruhr, sie befürchten Schlupflöcher. Es geht um eine Bagatell-Grenze: Unterhalb dieser könnten Nutzer urheberrechtlich geschützte Werkteile ohne Lizenzen auf Online-Plattformen hochladen, solange keine kommerziellen Zwecke verfolgt werden. Im Detail: Bis zu 20 Sekunden eines Videos, bis zu 20 Sekunden einer Tonspur, bis zu 1.000 Zeichen eines Textes sowie ein Lichtbild oder eine Grafik bis zu einer Datengröße von 250 Kilobyte. In diesen Fällen ist im Entwurf zugleich von einer angemessenen Vergütung des Urhebers die Rede.

Verleger fordern Streichung der Bagatellklausel

Zeitschriftenverleger befürchten negative Folgen für digitale Bezahlmodelle im Journalismus. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), Stephan Scherzer, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wenn eine Schranke käme, die es den Megaplattformen erlaubt, 50, 100 oder gar 1.000 Zeichen ohne Zustimmung der Rechteinhaber hochzuladen, dann ist das fatal für die Entwicklung von Paid Content im Journalismus und höhlt das Urheberrecht komplett aus." Scherzer ergänzte: "Digitaler Journalismus muss refinanzierbar bleiben und darf nicht abhängig werden von Mäzenen, Stiftungen oder dem Staat – all das schwingt bei der Forderung nach einem robusten Urheberrecht mit." Für den VDZ wäre eine Lösung, die Bagatellklausel zu streichen. Scherzer ergänzte: "Oder man stellt mindestens gesetzlich fest, dass die Bagatellschwelle bei den Vorschriften zur Plattformhaftung nicht für die Presse gilt."

Auch Musikbranche gegen Bagatell-Schranke

20 Sekunden einer Tonspur. Das ist auch der Musikbranche ein Dorn im Auge. Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Musikindustrie, Florian Drücke, sagte der dpa: Diese doch sehr langen Songschnipsel würden den bestehenden Lizenzpaketen entzogen werden. "Die Firmen und Künstler können damit nicht mehr selbst über diese Ausschnitte verfügen. Und das in einer Zeit, in der unsere Mitglieds-Firmen TikTok für sieben Sekunden Lizenzen erteilt haben, um auf neuen Wegen Musik-Fans zu erreichen und neue Geschäftsfelder zu erschließen." Drücke betonte: Die Ausschnitte müssten dann über Verwertungsgesellschaften vergütet werden. "Ohne Not torpediert man bestehende digitale Lizenzgeschäfte und greift in die Vertragsfreiheit dadurch ein, dass Ausschnitte plötzlich gegen kollektive Pauschalvergütung zu haben sein sollen."

Kritiker: Bagatell-Grenze läuft EU-weiter Harmonisierung zuwider

Die Bagatell-Grenze zeigt aus Sicht der Kritiker ein weiteres Problem auf: Sie schaffe einen Unterschied zwischen Deutschland und anderen Ländern. Der Musikverband sieht es so: Die deutsche Urheberrechtsreform stehe im Gegensatz zur Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes. Hier gelten dann andere Regeln als etwa in Frankreich oder in den Niederlanden. Die oppositionelle FDP im Bundestag sieht es ähnlich. Der medienpolitische Sprecher Thomas Hacker kritisierte, dass der Entwurf nicht mit Frankreich abgestimmt sei und "keinerlei Harmonisierung mit dem europäischen digitalen Binnenmarkt" schaffe.

Ziel: Vermeidung von Uploadfiltern

Vor der EU-Richtlinie fürchteten Kritiker, dass Plattformen wie YouTube, aber auch kleinere Anbieter, gezwungen sein werden, Uploadfilter einzusetzen, weil sie mehr Pflichten beim Urheberschutz haben. Dies sind Programme, die geschützte Inhalte beim Hochladen erkennen und aussortieren. Dadurch könne deutlich mehr als nötig blockiert werden, es drohe Zensur, so die Kritik. Die Bundesregierung knüpfte ihre Zustimmung zur Reform deshalb an eine -– nicht bindende – Protokollerklärung. Darin heißt es: "Ziel muss es sein, das Instrument Uploadfilter weitgehend unnötig zu machen." Auch im Koalitionsvertrag von 2018 steht, eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von solchen Filtern werde als "unverhältnismäßig" abgelehnt.

Zeit wird knapp

Die Opposition ist skeptisch. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner wertet das bislang Bekannte so: Die Bundesregierung und die Koalition brechen ihr Versprechen, Uploadfilter nach Möglichkeit zu verhindern." Aus AfD-Sicht widerspricht der Entwurf zur Urheberrechtsreform dem Koalitionsvertrag. Die Linksfraktion stört sich daran, dass dem Parlament bislang kein verhandlungsfähiger Entwurf zugeleitet wurde. Bis Sommer 2021 muss die EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt sein. Die Bundestagsabgeordnete Petra Sitte betonte: "Wenn nun schon die Bundesregierung bald zwei Jahre nicht schafft, dem Bundestag etwas Verhandlungsfähiges vorzulegen, kommen mal wieder die parlamentarischen Beratungen unter Druck."

Redaktion beck-aktuell, Anna Ringle und Michel Winde, 25. Januar 2021 (dpa).