StGH Hessen weist Klagen gegen Neuregelung des Gesetzes über Finanzbeziehungen zurück

Der Staatsgerichtshof des Landes Hessen hat die kommunalen Grundrechtsklagen von 18 Städten und Gemeinden gegen die Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs mit Urteil vom 16.01.2019 zurückgewiesen. Nach Auffassung der Richter waren die Klagen von 17 Gemeinden und kreisangehörigen Städte bereits unzulässig. Die Klage der Stadt Frankfurt am Main war zwar zulässig aber unbegründet (Az.: P.St. 2606 u.a.).

Verstoß gegen Hessische Verfassung moniert

Die Antragstellerinnen hatten sich mit ihren Klagen gegen die zum 01.01.2016 in Kraft getretenen Neuregelungen des Hessischen Finanzausgleichsgesetzes gewandt, durch die sie sich in ihrem durch Art. 137 der Hessischen Verfassung garantierten kommunalen Selbstverwaltungsrecht und ihrem damit korrespondierenden Anspruch auf angemessene finanzielle Ausstattung zur Wahrnehmung kommunaler Aufgaben (Art. 137 Abs. 5 Satz 1 HV) sowie ihrem Recht auf kommunale Gleichbehandlung verletzt sehen.

Verletzung kommunalen Selbstverwaltungsrechts nicht dargelegt

Eine zulässige Klage setze voraus, dass die Kommunen ihre Einwände gegen die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Neuregelungen des Finanzausgleichsgesetzes in einer Weise darlegen, die einen Verfassungsverstoß möglich erscheinen lässt, erläuterte der Gerichtshof. Wegen des weiten gesetzgeberischen Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums bei der Gestaltung des Finanzausgleichs sei das kommunale Selbstverwaltungsrecht allerdings nur dann verletzt, wenn das vom Gesetzgeber gewählte Finanzbedarfsermittlungs-und Verteilungsmodell eindeutig fehlerhaft, also verfassungsrechtlich nicht mehr vertretbar sei. Dies müssten die Kommunen substantiiert darlegen. Diese Anforderungen erfülle der Vortrag der 17 Gemeinden und kreisangehörigen Städten hinsichtlich keiner der von ihnen gegen die Neuregelungen des Finanzausgleichs erhobenen Rügen, befand der Gerichtshof. Dies gelte insbesondere, soweit sie sich gegen die Anwendung von nivellierten (fiktiven) Hebesätzen bei der Bestimmung ihres Finanzbedarfs nach § 21 Finanzausgleichsgesetz sowie gegen die Auferlegung einer Verpflichtung zur Zahlung einer sogenannten Abundanzumlage zu Gunsten finanzschwacher Gemeinden wenden.

Klage Frankfurts: Gesetz erfüllt Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes

Die Klage der Stadt Frankfurt am Main hat der Gerichtshof als unbegründet zurückgewiesen. Das neue Finanzausgleichsgesetz verstoße – gemessen an dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers – in den von der Stadt gerügten Punkten nicht gegen die Hessische Verfassung. Dabei sei es zunächst als verfassungsrechtlich unbedenklich anzusehen, dass sich nicht aus dem Finanzausgleichsgesetz selbst ergibt, wie der kommunale Finanzausgleich im Einzelnen zu berechnen ist. Es genüge den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes, wenn das Gesetz mit unbestimmten Rechtsbegriffen arbeite und der Gesetzgeber die wesentlichen Methoden und Berechnungsschritte zur Bedarfsermittlung beim kommunalen Finanzausgleich in die Gesetzesmaterialien aufnehme.

IST-Ausgaben maßgeblich

Der Gesetzgeber habe sich auch im Rahmen seines Gestaltungsspielraums gehalten, indem er den kommunalen Aufgabenbedarf – der eine Grundlage der Finanzausgleichsbemessung bildet – anhand von in der Vergangenheit tatsächlich getätigten sogenannten IST-Ausgaben der Kommunen ermittelt habe. Dem stehe nicht entgegen, dass diese Ausgaben möglicherweise aus Finanznot unterbliebene Ausgaben der Gemeinden nicht erfassen. Denn eine Einzelprüfung der Kommunen auf solch unterbliebene Investitionen hin sei verfassungsrechtlich nicht gefordert. Außerdem bleibe unklar, nach welchen Kriterien sie vorzunehmen wäre, um ein für alle hessischen Kommunen geltendes valides Verfahren zu gewährleisten.

Metropolenzuschlag rechtens

Auch die Ausgestaltung des speziell für die Stadt Frankfurt am Main vorgesehenen Metropolenzuschlags in § 25 Abs. 2 FAG verstoße nicht gegen die Hessische Verfassung. Der Gesetzgeber habe den Metropolenzuschlag – was sich insbesondere aus der Gesetzesbegründung ergebe – zwar methodisch als (Sonder-)Bedarf bei der Ermittlung der Mindestausstattung eingeordnet. In diesem Bereich sei der Finanzausgleich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bedarfsgerecht auszugestalten und gebiete also grundsätzlich eine Bedarfsermittlung. Aus den dem Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren vorliegenden statistischen Daten habe sich aber kein betragsmäßig ermittelbarer Sonderbedarf der Stadt Frankfurt am Main ergeben. Dass der Gesetzgeber sich bei der dahingehend vorgenommenen Überprüfung an den ihm vorliegenden statistischen Daten für Hessen und dem sich daraus ergebenden Aufgabenbestand der Kommunen des Landes orientiert habe, begegne vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Gewährung eines Metropolenzuschlages für die Stadt Frankfurt am Main ohne datengestützte Mehrbedarfsermittlung sei daher derzeit verfassungsrechtlich vertretbar. Dies gelte nicht zuletzt deshalb, weil der Gesetzgeber die finanzielle Situation der hessischen Kommunen fortlaufend beobachten und sich vergewissern müsse, ob die kommunale Finanzausstattung noch aufgabengerecht ist. Dies betreffe auch den Metropolenzuschlag nach § 25 Abs. 2 FAG.

Vergleich mit anderen Großstädten verfassungsrechtlich nicht geboten

Soweit die Stadt Frankfurt am Main eine Anzahl von finanzwissenschaftlichen und methodischen Mängeln bezüglich des sogenannten Korridormodells gerügt hat, hat der Gerichtshof auch insoweit keine Verfassungswidrigkeit festgestellt. Insbesondere überschreite der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht dadurch, dass er Frankfurt am Main hierbei mit den anderen kreisfreien, allerdings von ihrer Einwohnerstärke jeweils deutlich kleineren Städten Darmstadt, Kassel, Offenbach und Wiesbaden in einer Gruppe zusammengefasst hat. Ungeachtet der Größe der Stadt Frankfurt am Main sei die Gruppe der kreisfreien Städte strukturell und organisatorisch vergleichbar. Dass der Gesetzgeber bei der Gruppenbildung dem Umstand der Einwohnerzahl kein entscheidendes Gewicht beigemessen hat, sei jedenfalls vertretbar, da dieser Gesichtspunkt aufgrund der im neuen Finanzausgleichsgesetz angelegten Defizitbetrachtung pro Einwohner bei der Bedarfsbemessung an Gewicht verliere. Überdies habe der Gesetzgeber einer etwaigen Sonderrolle Frankfurts durch Einräumung des Metropolenzuschlags in § 25 Abs. 2 FAG Rechnung getragen. Ein Vergleich der Stadt Frankfurt am Main mit Großstädten außerhalb von Hessen, die einem anderen landesrechtlichen Regime unterliegen und für die das Hessische Statistische Landesamt keine Daten erhebt, sei dagegen verfassungsrechtlich nicht geboten.

Redaktion beck-aktuell, 17. Januar 2019.