Keine Befreiung von Rundfunkgebühren wegen Zugehörigkeit zu Covid-19-Risikogruppe

Ein Schwerbehinderter mit eingeschränkter Lungenfunktion muss nicht allein wegen seiner Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden. Laut Sozialgericht Osnabrück ist er nicht allgemein vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen, sodass ihm insoweit kein Nachteil durch seine Behinderung entsteht. Der Ausfall von Veranstaltungen durch die Pandemie hingegen betreffe alle Menschen.

Gehbehinderter beantragt Merkzeichen RF

Ein 1948 geborener Mann verlangte vom Land Niedersachsen die Zuerkennung des Merkzeichens RF; er hatte einen Behinderungsgrad (GdB) von 90 sowie das Merkzeichen G (erhebliche Gehbehinderung) – außerdem war der Pflegegrad 1 anerkannt. Der Schwerbehinderte teilte mit, er leide aufgrund einer Muskelerkrankung unter unkontrollierbaren Hustenanfällen und starken Schleimabsonderungen, ferner sei auch die Lungenfunktion beeinträchtigt. Er gehöre aufgrund seiner Vorerkrankungen sowie seines Alters zur Covid-19-Risikogruppe. Der Besuch öffentlicher Veranstaltungen könne ihm nicht zugemutet werden. Das Land verneinte gleichwohl die Voraussetzungen des Merkzeichens RF.

SG: Nicht allgemein und umfassend von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen

Das SG Osnabrück schloss sich am 07.12.2020 dieser Einschätzung an. Grundgedanke des Befreiungstatbestands für das Merkzeichen RF sei, dass behinderte Menschen, denen wegen ihres Leidens öffentliche Veranstaltungen nicht zugänglich sind, stattdessen zu Hause Rundfunk hören und fernsehen. Der dafür zu zahlende Rundfunkbeitrag sei dann ein behinderungsbedingter Nachteil, von dem sie befreit werden. Der gehbehinderte Mann sei aufgrund seiner Behinderungen jedoch nicht allgemein und umfassend vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen. So habe er – vor der Corona-Pandemie – gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen unter anderem angegeben, dass er morgens mit dem Auto zur Bäckerei zum Brötchen kaufen fahre und sonntags regelmäßig einen Gottesdienst besuche. Pandemiebedingte Einschränkungen von Veranstaltungen träfen derzeit – unabhängig vom Vorliegen einer Behinderung – alle Menschen.

SG Osnabrück, Entscheidung vom 07.12.2020 - S 30 SB 245/18

Redaktion beck-aktuell, 20. Januar 2021.