SG Mainz: Insolvenzgeld bei sittenwidrigem Lohn nach üblichem Tariflohn zu bemessen

Der Insolvenzgeldanspruch eines Arbeitsnehmers, der zuvor ein sittenwidrig niedriges Arbeitsentgelt erhalten hat, ist nach dem üblicherweise gezahlten Tariflohn zu bemessen. Dies hat das Sozialgericht Mainz mit Urteil vom 07.09.2018 entschieden und der Klage eines Maurers gegen die Bundesagentur für Arbeit stattgegeben (Az.: S 15 AL 101/14).

Von Lohnwucher betroffener Kläger verlangt höheres Insolvenzgeld

Der Kläger hatte von der beklagten Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld für die Monate November 2012 bis Januar 2013 erhalten. Für den November 2012 zahlte ihm die Bundesarbeitsagentur 396,80 Euro ausgehend von den vorhandenen Lohn- und Gehaltsabrechnungen. Dagegen wandte sich der Kläger und verlangte Insolvenzgeld für den November 2012 in Höhe von insgesamt 1.421,99 Euro. Im gerichtlichen Verfahren stellte sich heraus, dass der Kläger bei seinem ehemaligen Arbeitgeber als Maurer in Vollzeit zu einem Lohn von 400 Euro brutto monatlich beschäftigt war.

SG: Vereinbarter Lohn war sittenwidrig

Das SG hat der Klage stattgegeben und die Bundesarbeitsagentur zur Zahlung von Insolvenzgeld in Höhe der beantragten 1.421,99 Euro verurteilt. Zwar sei die Bundesarbeitsagentur zu Recht von einem vertraglich vereinbarten Nettoentgelt von 396,80 Euro ausgegangen. Dieses sei jedoch sittenwidrig, da es in einem auffälligen Missverhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung stehe. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehe ein auffälliges Missverhältnis zwischen Lohn und Arbeit, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht. Der Kläger habe zu einem Stundenlohn von 2,27 Euro gearbeitet, was gerade einmal einem Fünftel des damals maßgeblichen Tariflohns der Baubranche entsprochen habe.

Insolvenzgeld nach üblichem Tariflohn zu bemessen

Laut SG folgt hieraus für die Höhe des Insolvenzgeldes, dass dieses nicht auf Grundlage der vertraglichen Vergütungsabrede zu bemessen sei, sondern auf Grundlage des üblicherweise gezahlten Tariflohns. Es könne auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers darin gesehen werden, dass er monatelang die Zahlung eines untertariflichen Lohnes hingenommen habe, nun aber von der Bundesarbeitsagentur Insolvenzgeld auf der Grundlage tariflichen Lohnes verlange. Er begehre einen letztlich gesetzlich vorgezeichneten Lohnanspruch, der ihm in ungesetzlicher Weise bislang vorenthalten worden sei. Gerade in den Fällen des Lohnwuchers sei es regelmäßig so, dass Arbeitnehmer sich wegen einer schwächeren Lage oder unter dem Zwang der Arbeitsmarktverhältnisse auf einen ungünstigen Vertrag einlassen. 

SG Mainz, Urteil vom 07.09.2018 - S 15 AL 101/14

Redaktion beck-aktuell, 19. September 2018.