Demenzerkrankte Ärztin ist vom Bereitschaftsdienst zu befreien

Eine an beginnender Demenz leidende Fachärztin hat auch dann Anspruch auf Befreiung vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst, wenn sie ihre Praxis mit personeller Unterstützung weiterführt. Die Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst widerspreche im konkreten Fall dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), entschied das Sozialgericht Mainz mit Urteil vom 20.01.2022.

Demenzerkrankte Fachärztin klagte auf Befreiung vom Bereitschaftsdienst

Eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie beantragte bei der KV Rheinland-Pfalz Befreiung von der Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst wegen eigener gesundheitlicher Einschränkungen. Die KV lehnte dies ab, weil der Praxisbetrieb der Klägerin keine messbare Einschränkung erfahre und sie zudem überdurchschnittliche Honorareinnahmen erziele. Ein schwerwiegender Grund für eine Befreiung sei nicht ersichtlich. Im Übrigen sei es der Klägerin finanziell zumutbar, den Bereitschaftsdienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Die Ärztin zog vor das Sozialgericht.

SG: Pflicht zum Bereitschaftsdienst entfällt

Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben. Dem Anliegen der Klägerin sei zu entsprechen, da die Klägerin unter einer beginnenden Demenz leide und mit den Anforderungen des teilweise fachfremden und situativ unvorhersehbaren Bereitschaftsdienstes dauerhaft überfordert sei. Dass die Klägerin ihren Praxisbetrieb aufrechterhalte, lasse nicht auf eine Befähigung zur Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst schließen, da es gerade dem Krankheitsbild entspreche, jahrelang ausgeübte Routinearbeiten mit Unterstützung durch das Praxispersonal noch adäquat bewältigen zu können. Auch der weitere Begründungsansatz der KV scheitere an der Unvereinbarkeit der zugrundeliegenden Vorschrift der Bereitschaftsdienstordnung mit höherrangigem Recht: Es sei mit ihrem Sicherstellungsauftrag unvereinbar, einen zum Bereitschaftsdienst ungeeigneten Vertragsarzt auf die Möglichkeit einer Vertretung zu verweisen, wenn die KV nicht zugleich normativ sicherstelle, dass ein Vertreter auch tatsächlich zur Verfügung steht.

SG Mainz, Urteil vom 20.01.2022 - S 3 KA 9/20

Redaktion beck-aktuell, 20. Januar 2022.