SG Berlin: Krankenkasse muss Kosten bei Lebendorganspende im EU-Ausland nur bei Einhaltung deutscher Rechtsvorschriften übernehmen

Eine deutsche Krankenkasse muss die Kosten für eine Lebendspende (hier: Nierentransplantation) nur dann übernehmen, wenn diese nach dem Transplantationsgesetz zulässig ist. Dies hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 12.03.2019 klargestellt. Nach Ansicht des Gerichts gilt dies auch dann, wenn der ärztliche Eingriff von Deutschland ins EU-Ausland (hier: Niederlande) verlegt wird. In dem konkreten Fall verneinte das SG die Pflicht der Krankenkasse zur Kostenübernahme, weil es die erforderliche besondere persönliche Verbundenheit zwischen dem in Sierra Leone lebenden (potentiellen) Organspender und dem Empfänger nicht erkennen konnte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Az.: S 76 KR 1425/17).

Kläger seit Ende 2013 dialysepflichtig

Der mittlerweile 57-jährige Kläger im zugrunde liegenden Fall ist Deutscher. Er leidet seit vielen Jahren an einer Niereninsuffizienz und ist seit Ende 2013 dialysepflichtig. Er ist als Empfänger bei der Organvermittlungsstelle – Stiftung Eurotransplant – vermerkt; bislang ist er jedoch nicht bei der Verteilung eines zur Transplantation gemeldeten Organs (im Rahmen der postmortalen Organspende) berücksichtigt worden. Die Ehefrau des Klägers kommt aus gesundheitlichen Gründen nicht als Spenderin einer Niere in Frage. Seine Schwester hat nach anfänglicher Zusage ihre Bereitschaft zur Spende wieder zurückgezogen.

Kontakt zu Spender über Vereinsengagement

Ein in Sierra Leone lebender Mann (im Folgenden: Spender) ist jedoch bereit, dem Kläger eine Niere zu spenden. Der Kläger hatte zunächst den seit 20 Jahren in Deutschland lebenden Bruder des Spenders kennengelernt, und zwar über ein gemeinsames Engagement für einen Verein, der Projekte in Sierra Leone unterstützt. Der Bruder des Spenders schilderte, nachdem sich herausgestellt hatte, dass er selbst aus medizinischen Gründen als Spender ausscheidet, seiner Familie in Sierra Leone den Fall mit der Frage, ob eventuell "einer seiner Geschwister" für den Kläger spenden wolle. Es folgten mehrere große Familientreffen, bei denen das Thema besprochen wurde und als deren Ergebnis der Spender seine Spendenbereitschaft erklärte.

Deutsches Krankenhaus lehnte Eingriff mangels persönlicher Verbundenheit ab

Daraufhin wandte sich der Kläger an ein Berliner Krankenhaus. Die Mitglieder der dortigen internen Transplantationskonferenz gelangten nach einem persönlichen Gespräch mit dem Kläger und dem Spender im November 2016 einstimmig zu dem Ergebnis, dass die für eine Lebendspende erforderliche besondere persönliche Verbundenheit zwischen den beiden nicht gegeben sei. Das Krankenhaus lehnte daher die Durchführung der Nierentransplantation ab. Mit derselben Begründung lehnte ein weiteres vom Kläger kontaktiertes Krankenhaus in Halle – ebenfalls noch im November 2016 – die Vornahme des Eingriffs ab.

Kostenübernahme abgelehnt

Im Dezember 2016 teilte der Kläger seiner Krankenkasse – der Beklagten – mit, dass er mit einem Krankenhaus in Rotterdam im Gespräch über die Nierentransplantation sei, und bat um Bestätigung der Kostenübernahme. Die Beklagte lehnte die begehrte Kostenübernahme ab. Im Juli 2017 erhob der Kläger Klage vor dem SG Berlin.

Nur im System der deutschen Krankenversicherung vorgesehenen Leistungen umfasst

Das SG Berlin hat die Klage abgewiesen. Die beklagte Krankenkasse sei nicht verpflichtet, die Zustimmung zur Kostenübernahme zu erteilen, da die in Frage stehende Nierenspende in Deutschland nicht zulässig sei und damit auch eine Nierentransplantation in den Niederlanden nicht zulasten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden dürfe. Ein Versicherter dürfe sich nur die im System der deutschen Krankenversicherung vorgesehenen Leistungen in anderen EU-Staaten beschaffen. Seien Ansprüche etwa von der Einhaltung eines besonderen Verfahrens oder einer besonderen vorherigen Genehmigung der Krankenkasse abhängig, so gölten diese Voraussetzungen grundsätzlich auch bei einer Verschaffung der Leistung im EU-Ausland.

Kontakt mit Spender über Internet und Telefon nicht ausreichend

Die Voraussetzungen für eine Lebendspende-Nierentransplantation seien nicht gegeben, weil sich der Spender und der Kläger nicht "in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen" würden. Gegen die Annahme eines solchen Näheverhältnisses spreche unter anderem, dass nicht etwa der Kläger den Kontakt zum Spender aufgenommen habe, sondern die Initiative vom Bruder des Spenders ausgegangen sei, der ebenfalls noch nicht einmal den Spender direkt angesprochen habe, sondern eine allgemeine Frage an die Familie gerichtet habe, ob "einer seiner Geschwister" zur Spende bereit wäre. Der Spender habe seine Bereitschaft zur Spende zu einem Zeitpunkt erklärt, zu dem er den Kläger noch gar nicht persönlich gekannt habe. Vielmehr habe man sich erst im Oktober 2016 kennengelernt, als der Spender im Zuge der Vorbereitung der Transplantation (erstmals) nach Deutschland gekommen sei. Vorher (seit sechs bis sieben Jahren) hätten der Kläger und der Spender lediglich über Internet oder Telefon Kontakt gehabt. Die hier einschlägige Vorschrift (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Transplantationsgesetz) begegne schließlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

SG Berlin, Urteil vom 12.03.2019 - S 76 KR 1425/17

Redaktion beck-aktuell, 17. April 2019.