Seehofer lässt Korruptionsverdacht beim BAMF untersuchen

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will den Korruptionsverdacht im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) genauestens prüfen lassen. Er wolle in dieser Woche eine unabhängige Untersuchung anordnen, sagte der CSU-Chef am 21.04.2018 dem ZDF. "Ich möchte wissen, ob es hier Systemmängel gibt, die solche Dinge ermöglichen." Sollte es diese geben, müsse das BAMF reformiert werden. Die Behörde hat neben dem mutmaßlichen Korruptionsskandal auch Probleme mit der Neutralität und Qualifikation von Dolmetschern.

Ermittlungen unter anderem wegen Bestechlichkeit

Am 20.04.2018 war bekanntgeworden, dass die frühere Leiterin der BAMF-Außenstelle in Bremen von 2013 bis 2016 mindestens 1.200 Menschen Asyl gewährt haben soll, obwohl die Voraussetzungen nicht gegeben waren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Frau und fünf weitere Beschuldigte wegen Bestechlichkeit und "bandenmäßiger Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung". In den meisten Fällen ging es laut Bremer Staatsanwaltschaft um kurdisch-sprachige Menschen, die angaben, Jesiden zu sein.

Unabhängige Untersuchungskommission soll mögliche organisatorische Mängel prüfen

Seehofer kündigte in der "Bild am Sonntag" die Einberufung einer unabhängigen Untersuchungskommission an. Das Gremium soll prüfen, ob es organisatorische Mängel in der Behörde gibt. An der Spitze der Kommission könnte ein hoher ehemaliger Richter oder der Bundesrechnungshof stehen. Bei einem Auftritt vor den CSU-Bezirksverbänden Oberbayern und München sagte er mit Blick auf Bremen: "Das ist ein schlimmer Vorfall, der mich schwer bedrückt." Er wolle die Mitarbeiter des BAMF nicht unter Generalverdacht stellen. "Es scheint aber offenbar schräge Entwicklungen gegeben zu haben."

Einzelne Dolmetscher nicht vertrauenswürdig

Dazu zähle auch die mangelnde Vertrauenswürdigkeit einzelner Dolmetscher. Das BAMF hat allein 2017 die Zusammenarbeit mit 30 Dolmetschern "aufgrund von Verletzungen gegen den Verhaltenskodex" beendet, wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken hervorgeht, über die zuerst die "Bild"-Zeitung berichtet hatte. Das BAMF selbst erklärte, man habe sich in der Vergangenheit wegen Verletzung der Neutralitätspflicht von "einzelnen Dolmetschern" getrennt, nannte aber keine genauen Zahlen.

Unzureichende Sprachkenntnisse bei Dolmetschern

Darüber hinaus wurden 2017 und 2018 mehr als 2.000 Dolmetscher von weiteren Einsätzen ausgenommen. Dies sei "im Zuge der Etablierung eines erweiterten Qualitätssicherungskonzepts" geschehen, erklärte das Innenministerium. Nach Angaben des BAMF müssen Dolmetscher für die häufigsten Zielsprachen seit Sommer 2017 ein C1-Sprachzertifikat für die deutsche Sprache nachweisen. Deshalb habe sich die Zahl von rund 7.500 auf etwa 5.200 im Februar 2018 reduziert. Auf dem C1-Niveau werden ausgeprägte, tiefgehende Kenntnisse der Sprache erwartet.

Motiv der beschuldigten Mitarbeiterin noch unklar

Der mutmaßliche Korruptionsskandal bei der BAMF-Außenstelle in Bremen wirft noch viele Fragen auf. So ist das Motiv der Beschuldigten derzeit unklar. Nach Informationen der "Braunschweiger Zeitung" ging es der leitenden BAMF-Mitarbeiterin womöglich nicht um Geld. Auf ihrem Twitter-Account habe die Frau immer wieder Beiträge von Pro Asyl und dem Verein "Eziden Weltweit" geteilt, berichtete das Blatt. Die Vertretung jesidischer Verfolgter verteidigte die BAMF-Mitarbeiterin: "Sie handelte wie ein Mensch, der seinem Gewissen folgt, analog dem Gerechten der Völker Oskar Schindler", hieß es in einer auch über Twitter verbreiteten Stellungnahme des Vereins.

SPD fordert von Seehofer schnelle Aufklärung

Die SPD forderte von Seehofer rasche Antworten. "Solche gravierende Missstände verlangen die politische Aufmerksamkeit des zuständigen Bundesinnenministers mehr als die Frage, wozu der Islam gehört und wozu nicht", sagte Parteivize Ralf Stegner den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die lange Mängelliste beim BAMF ist wahrlich keine neue Erscheinung. Die politische Verantwortung dafür trägt seit 13 Jahren die Union."

Redaktion beck-aktuell, 23. April 2018 (dpa).