Schwarz-Gelb-Grün – kein Selbstläufer

An Selbstbewusstsein mangelt es den Grünen nach ihrem Wahlerfolg und der FDP nach ihrem Wiedereinzug in den Bundestag nicht. Die Grünen ziehen nach den Hochrechnungen nicht als schwächste Kraft in den Bundestag ein. Und an der etwas stärkeren FDP führt auch kein Weg vorbei, wenn Deutschland nicht noch einmal von einer - von der SPD ausgeschlossenen - großen Koalition regiert werden soll. Als bloße Stützräder für die Union in einem schwarz-gelb-grünen Jamaika-Bündnis sehen sich nach dem Wahlsonntag weder die Grünen noch die Liberalen.

Fortschritt und Bewahren zugleich

Auf den ersten Blick steht Jamaika für Fortschritt und Bewahren zugleich: Die FDP treibt die Digitalisierung und den Wettbewerb mit weniger Staat voran, die Grünen den Klimaschutz und Europa. Und die Union sorgt für innere und äußere Sicherheit. Steuern senken wollen ohnehin alle und insbesondere die unteren und mittleren Einkommen entlasten. Kein Problem also. Ganz so einfach wie auf dem Wahlprogramm-Papier wird es aber mit dem Dreierbündnis nicht.

Gräben vor allem zwischen CSU und Grünen

Denn "Jamaika" ist eigentlich ein Viererbündnis – mit einer klar geschwächten und daher künftig umso unberechenbareren CSU. Was die inhaltlichen Gräben zwischen den Vielleicht-Jamaika-Partnern noch tiefer werden lässt. Mehr oder weniger rote Linien haben alle potenziellen Partner gezogen – in der Klima- und Sozialpolitik, vor allem aber in der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Zoff dürfte es insbesondere zwischen CSU und Grünen geben.

Streitpunkt Verbrennungsmotor

So treten die Grünen in ihrem Wahlprogramm dafür ein, ab dem Jahr 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr neu zuzulassen. Die CSU wiederum will keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem ein Enddatum für den Verbrennungsmotor festgehalten ist. Die Liberalen halten nichts von einem Verbot von Verbrennungsmotoren. CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht den Verbrennungsmotor allenfalls als eine Brückentechnologie an. Grünen-Chef Özdemir ließ aber erkennen, dass 2030 als Enddatum für Benziner und Diesel nicht durchsetzbar sein könnte, da man nicht allein regiere.

Gute Chancen für Kompromiss in Energiepolitik

In Sachen Energiepolitik könnten die Jamaika-Partner zusammenkommen, wenn alle Kompromisse machen. Die Grünen wollen die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort dicht machen und bis 2030 ganz aus der Kohle aussteigen. Die Union ist für einen Ausstieg zumindest aus der Braunkohle, ohne sich aber auf ein Datum festzulegen. Die FDP geriert sich als Partei des Wettbewerbs, schlanken Staates und des freien Unternehmertums. Sie will weniger Vorgaben, etwa bei Treibhausgasen. Die Liberalen regieren aber auch in Nordrhein-Westfalen mit und stehen dort beim Strukturwandel in den gebeutelten Kohlerevieren mit in der Verantwortung. Prinzipienreiterei ist daher an der Stelle eher nicht zu erwarten. An der Energiepolitik und der Rolle des Staates dürfte Jamaika wohl eher nicht scheitern.

Einigung bei Landwirtschaft zumindest nicht ausgeschlossen

Beim Thema “Landwirtschaft“ könnte es schwieriger werden, etwa, wenn es um Massentierhaltung und Agrar-Industrie geht. Die Union sieht sich eher an der Seite der traditionellen Bauern. Aber Gemeinsamkeiten gibt es hier durchaus – selbst zwischen den Grünen und der CSU.

Flüchtlings- und Einwanderungspolitik kompliziertes Feld

Als kompliziertes Feld erweist sich dagegen die Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Hier dürften aber zumindest FDP und Grüne an einem Strang ziehen, wenn es um Bürgerrechte geht und darum, die Union im Bestreben nach schärferen Sicherheitsgesetzen zu bremsen. Eine Obergrenze für Flüchtlinge ist schon unter CDU und CSU heftig umstritten, die Grünen sind dagegen und für erleichterten Familiennachzug. FDP und Grüne sind für ein Einwanderungsgesetz und ein Punktesystem zur Steuerung der Zuwanderung. Auch hier müssen sich zunächst CDU und CSU auf einen gemeinsam Nenner verständigen.

Schnittmengen bei der Steuerpolitik

Bei der Steuerpolitik gibt es durchaus Schnittmengen. Versprechen, die Bürger zu entlasten, standen ohnehin im Wahlkampf nicht so im Mittelpunkt. Untere und mittlere Einkommen wollen alle Parteien entlasten – die einen mehr, die anderen weniger. Den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, versprechen ebenfalls alle. Problematisch wird es, wenn es um Mehrbelastungen hoher Einkommen, Erbschaften und von Topvermögen geht. Die CSU schließt wieder einmal jegliche Steuererhöhungen aus und gibt sich als Schutzmacht für vermögende Firmenerben. Strittig sind auch das Ehegattensplitting und die Besteuerung von Kapital- und Zinserträgen – Stich- und Reizwort Abgeltungsteuer.

FDP bei Europapolitik als Unruhestifter

Auf dem Gebiet der Europapolitik sorgt vor allem die FDP im Ausland für Unruhe. Die Liberalen könnten die neue Regierung dazu drängen, bei den Euro-Regeln kompromissloser aufzutreten. Verhandlungen mit Frankreich und anderen Euro-Partnern über eine Reform der Eurozone werden mit den Liberalen nicht einfacher. Sie sind da mit der CSU eher auf einer Linie, Grüne und CDU auf der anderen Seite. Athen und Paris dürften den Koalitionspoker sehr genau verfolgen.

Redaktion beck-aktuell, André Stahl und Teresa Dapp, 25. September 2017 (dpa).