Rechtsextremisten sollen künftig mehr Verfolgungsdruck spüren

Längere Speicherfristen, größere Befugnisse und insgesamt 740 neue Stellen wollen Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt (BKA) für eine effektivere Bekämpfung des Rechtsextremismus haben. Das geht aus Dokumenten hervor, die beide Behörden dem Bundesinnenministerium vorgelegt haben. Er stimme den Plänen, für die im Haushalt noch kein Geld eingestellt ist, "uneingeschränkt zu, auch dem Personalbedarf", sagte Innenminister Horst Seehofer (CSU) am 24.09.2019 in Berlin.

Middelberg fordert mehr Befugnisse für Verfassungsschutz

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), sagte, mit Personal allein sei es nicht getan. Zur Verhinderung schwerster Straftaten müsse der Verfassungsschutz mitlesen können, wenn Extremisten oder Terroristen verschlüsselt über Messenger-Dienste wie WhatsApp kommunizieren. Für eine effektive Verfolgung von Hasskriminalität im Internet müsse das BKA von den Internetanbietern automatisch auf strafbare Internet-Inhalte hingewiesen werden. Die Anbieter sollten verpflichtet werden, die Daten derjenigen, die diese Inhalte eingestellt haben, herauszugeben. "Hier erwarte ich auch die Unterstützung von Grünen und Linken", sagte Middelberg.

Verlängerung der maximalen Speicherfrist

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wirbt in seinem Papier für eine Verlängerung der maximalen Speicherfrist von Daten zu Personen im Nachrichtendienstlichen Informationssystem von 10 auf 15 Jahre. Die Kölner Behörde will außerdem mehr Befugnisse zur Online-Durchsuchung und zur Überwachung verschlüsselter Kommunikation sowie 300 neue Stellen. Das Bundesamt schlägt zudem die Einrichtung einer Zentralstelle vor, die helfen soll, Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst frühzeitig zu erkennen.

Neue Kategorisierung für Gefährlichkeit einzelner Rechtsextremisten

Das BKA will für die Einschätzung der Gefährlichkeit einzelner Rechtsextremisten eine neue Kategorisierung entwickeln. Auch bei der Erkennung von Netzwerken will man neue Wege gehen. Die Behörde, die ihren Sitz in Wiesbaden hat, meldet einen Bedarf von 440 zusätzlichen Planstellen an. Alleine 250 Mitarbeiter sollen sich den Plänen zufolge um Hasspostings im Internet kümmern. Die Behörde hält mit Blick auf sogenannte "Feindeslisten" und "Outings" politischer Gegner durch Rechtsextremisten auch eine Gesetzesänderung für notwendig. Für diese Art von "Psychoterror" solle ein neuer Straftatbestand geschaffen werden. Durch "umfangreiche Ermittlungsverfahren" solle der Verfolgungsdruck in der Szene erhöht werden.

Rund 40 Menschen als sogenannte Gefährder eingestuft

Die Polizei stuft im rechten Spektrum aktuell bundesweit rund 40 Menschen als sogenannte Gefährder ein. Zum Vergleich: Ende 2016 gab es 22 Gefährder. Als Gefährder bezeichnet man im Bereich der politisch motivierten Kriminalität Menschen, denen man schwere Gewalttaten bis hin zu Terroranschlägen zutraut. Dass das Frühwarnsystem der Behörden im Rechtsextremismus nicht gut funktioniert, hat auch der Fall des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gezeigt. Er war im Juni ermordet worden. Stephan E., der den Behörden vor Jahren als Rechtsextremist aufgefallen war, sitzt in diesem Fall als Hauptverdächtiger in Untersuchungshaft.

Barley wies ersten Entwurf rundheraus zurück

Über das neue Verfassungsschutzgesetz, das eine Erweiterung der Befugnisse vorsieht, wollte Seehofer am 24.09.2019 mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprechen. Einen ersten Entwurf aus seinem Hause hatte deren Vorgängerin Katarina Barley (SPD) rundheraus zurückgewiesen.

Redaktion beck-aktuell, 26. September 2019 (dpa).