Prozess in USA und Steuervorwürfe setzen Ankara unter Druck

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gerät wegen Steuerflucht-Vorwürfen der Opposition gegen seine Familie und wegen eines brisanten Prozesses in den USA um Iran-Sanktionen unter Druck. In dem Prozess in New York gab der Kronzeuge – der türkisch-iranische Goldhändler Reza Zarrab – zu, den früheren türkischen Wirtschaftsminister Mehmet Zafer Caglayan mit Schmiergeldern in zweistelliger Millionenhöhe bestochen zu haben.

Zarrab: Minister hat 50% der Profite bekommen

Caglayan habe ihm dafür geholfen, über Manager der staatlichen türkischen Halkbank "Gold-gegen-Öl-Deals" abzuhandeln und Sanktionen gegen den Iran zu umgehen, sagte Zarrab am 29.11.2017 (Ortszeit). Der damalige Minister habe 50% der Profite bekommen. Caglayan war bis Ende 2013 unter dem damaligen Regierungs- und heutigen Staatschef Recep Tayyip Erdogan Wirtschaftsminister. Die Halkbank bestritt am 30.11.2017 in einer Mitteilung jegliches Fehlverhalten.

Geldtransfers in Steueroase vorgeworfen

In der Türkei ging unterdessen der Streit um Vorwürfe von Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu weiter. Der CHP-Chef beschuldigt Verwandte und Vertraute Erdogans, Millionen Dollar an eine Firma auf der Isle of Man überwiesen zu haben. Kilicdaroglu besitzt nach eigenen Angaben Dokumente, die die Geldtransfers in die Steueroase belegen sollen. Erdogan hat die Vorwürfe als "Lügen" zurückgewiesen und angekündigt, Kilicdaroglu zu verklagen. Nach einem Bericht von CNN-Türk forderte die Staatsanwaltschaft die Dokumente an.

Bozdag spricht von inszeniertem "Theater"

Vize-Ministerpräsident Bekir Bozdag bezeichnete Kilicdaroglu am 30.11.2017 als ein "nationales Sicherheitsproblem". Er stellte zugleich einen Zusammenhang zwischen dem Prozess in den USA, den er ein inszeniertes "Theater" nannte, und den Vorwürfen der Opposition her. "Denn beide haben es auf die Türkei abgesehen. Beide haben es auf den Präsidenten und die Regierung der Türkei abgesehen."

Einigung mit Staatsanwaltschaft

In dem Prozess in New York gehörte Zarrab – wie auch Caglayan und der in den USA inhaftierte frühere Halkbank-Vizechef Mehmet Hakan Atilla – ursprünglich zu den neun Angeklagten. Zarrab einigte sich aber mit der Staatsanwaltschaft überraschend darauf, als Zeuge auszusagen und sich schuldig zu bekennen. Atillas Anwalt Victor Rocco stellte Zarrab als Drahtzieher der Machenschaften dar, der Millionen Dollar gemacht habe und nun seinen Mandanten belaste. Atilla – der in den USA in Untersuchungshaft sitzt – dementiert jede Schuld.

Ermittlungen wegen Bestechung bereits 2013

Die Bestechungsvorwürfe führten bereits Ende 2013 in der Türkei zu Ermittlungen, die aus dem Umfeld der Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen lanciert wurden. Gülen hatte sich zuvor mit Erdogan überworfen. Erdogan macht den Prediger für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Zarrab und andere Verdächtige wurden im Dezember 2013 vorübergehend festgenommen. Vier Minister mussten damals das Kabinett verlassen. Einer davon – der damalige Umweltminister Erdogan Bayraktar – rief Ministerpräsident Erdogan zum Rücktritt auf. Die Regierung und Erdogans AKP sorgten in den turbulenten Monaten danach dafür, dass die Ermittlungen nicht weitergeführt wurden.

Vize-Ministerpräsident: Gericht steht in Verbindung mit Gülen-Bewegung

In dem Strafverfahren in New York brachte Vize-Ministerpräsident Bozdag am 30.11.2017 den Richter ebenso wie Zeugen und Experten in Verbindung mit der Gülen-Bewegung. "Was für eine Gerechtigkeit können wir von so einem Gericht schon erwarten? Von dort erwarte ich mir keine Gerechtigkeit." Präsident Erdogan sagte am 30.11.2017 nach Angaben des staatlichen Senders TRT: "Wir haben das Richtige getan, egal, was bei dem Gerichtsverfahren herauskommt."

Transaktionen in Millionenhöhe für Regierung in Teheran

Erdogan betonte, die Türkei habe sich nicht dazu verpflichtet gehabt, US-Sanktionen einzuhalten. Bei den in New York verhandelten Vorwürfen geht es darum, dass Zarrab mit Hilfe der staatlichen Halkbank Transaktionen in Millionenhöhe über das US-Finanzsystem abgewickelt haben soll, um die Regierung in Teheran mit Geld zu versorgen – wissend, dass das illegal war.

Regierungsnahe Medien ignorierten Vorwürfe

AKP-Sprecher Mahir Ünal sagte am 30.11.2017, Zarrab sei "zur Geisel genommen" worden, um "die Türkei in die Ecke zu drängen". Er betonte: "Selbst wenn ihr die AKP loswerdet, selbst wenn ihr Recep Tayyip Erdogan loswerdet, so könnt ihr das Volk nicht loswerden. Und selbst wenn ihr das Volk loswerdet, so könnt ihr euch nicht vor Allah retten." Wichtige regierungsnahe Medien in der Türkei ignorierten die von Zarrab erhobenen Korruptionsvorwürfe am 30.11.2017.

Verfahren soll noch in diesem Jahr beendet werden

Zarrab war im März 2016 während einer Reise nach Florida festgenommen worden, Atilla rund ein Jahr danach. Alle anderen Beschuldigten in dem Fall, darunter auch Caglayan und der frühere Halkbank-Chef Süleyman Aslan, halten sich nicht in den USA auf. Mit einem Ende des Verfahrens in New York wird noch in diesem Jahr gerechnet.

Redaktion beck-aktuell, 1. Dezember 2017 (dpa).