Polens Regierung zieht im Machtkampf um Oberstes Gericht Zügel an

Im Machtkampf um Polens Oberstes Gericht zieht die Warschauer Regierung die Zügel weiter an. Das Unterhaus Sejm nahm am 19.07.2018 in erster Lesung einen Gesetzentwurf an, durch den der Posten der zwangspensionierten Gerichtspräsidentin Malgorzata Gersdorf schneller als vorgesehen nachbesetzt werden kann. Die 65-Juristin widersetzt sich ihrem vorzeitigen Ruhestand, durch den die Regierung ihrer Meinung nach missliebige Richter loswerden will. Polens Regierung steht auch bei der EU-Kommission wegen staatlicher Einflussnahme auf das Justizwesen in der Kritik.

Zahlreiche oberste Richter durch Herabsetzung des Ruhestandalters zwangspensioniert

Jüngste Eskalation des Streits war die Zwangspensionierung zahlreicher oberster Richter im Juli 2018. Nach einem Gesetz der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS müssen sie mit 65 statt bisher 70 Jahren in den Ruhestand. Aus PiS-Sicht ist auch Gersdorf betroffen, die sich jedoch auf ihre bis 2020 verfassungsrechtlich geschützte Amtszeit berief und weiter zur Arbeit ging. Einen offiziellen Urlaub brach Gersdorf, die am 20.07.2018 am wichtigsten deutschen Justizstandort Karlsruhe sprechen sollte, angesichts des im Warschauer Parlament vorangetriebenen Gesetzes vorzeitig ab. Dieses sieht vor, dass der Gerichtsvorsitzende bereits bei der derzeitigen Besetzung von rund zwei Dritteln der Richterposten gewählt werden kann. Bislang mussten dafür fast alle Richterämter am Obersten Gericht besetzt sein. Die neue Gesetzesinitiative diene dazu, den Clinch am Gericht auf rechtlichem Weg zu beenden, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Aus Sicht von Polens Beauftragtem für Bürgerrechte Adam Bodnar wird das Gesetz die Krise im polnischen Justizwesen nur verschlimmern. Er mahnte weitere Gefahren für die Unabhängigkeit der Gerichte an.

Redaktion beck-aktuell, 19. Juli 2018 (dpa).