Pkw-Maut: Juristen werden sich im Untersuchungsausschuss nicht einig

Vor dem Untersuchungsausschuss zur geplatzten Pkw-Maut wurden am 16.01.2020 juristische Gutachter zum Vorgehen des Bundesverkehrsministeriums angehört. Dies hat der parlamentarische Pressedienst am 17.01.2020 berichtet. War der Ausgang des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof vorhersehbar? Wurde gegen Haushaltsrecht verstoßen? Wurde gegen das Vergaberecht verstoßen? Die Ansichten gingen auseinander.

Kainer: Annahme der EU-Rechtskonformität war gut vertretbar

Dabei vertrat Friedemann Kainer von der Universität Mannheim die Ansicht, es hätten "gute Gründe bestanden, die Maut nicht als diskriminierend einzuschätzen". Der EuGH hatte das Maut-Gesetz für rechtswidrig erklärt, da es Ausländer benachteilige. Gemäß dem Gesetz sollten zwar sowohl in- als auch ausländische Fahrzeughalter die Maut bezahlen müssen. Inländischen Haltern wäre jedoch im Gegenzug die Kfz-Steuer mindestens in Höhe der Mautgebühr erlassen worden. Kainer argumentierte, es sei europarechtlich zwar nicht zulässig, Ausländer zu diskriminieren. Sehr wohl erlaubt sei es aber, eine Diskriminierung von Inländern auszugleichen. Kainer zufolge sind inländische Fahrzeughalter benachteiligt, da sie - anders als ausländische - KfZ-Steuer zahlen müssen.

Mayer widerspricht

Dieser Einschätzung widersprach Franz C. Mayer von der Universität Bielefeld. In der Fachwelt habe mit großer Mehrheit die Einschätzung geherrscht, dass die PKW-Maut in der vorgesehenen Form diskriminierend und deshalb nicht mit dem Europarecht vereinbar sei. Erstaunt zeigte er sich, dass das Verkehrsministerium keine Lehren aus der gescheiterten LKW-Maut gezogen habe. "Der Vorgang", sagte Mayer, "wirft die Frage nach dem Umgang mit juristischem Sachverstand bei politischen Entscheidungen auf."

Hufeld beanstandet Ermächtigungslücke im Haushalt

Ebenfalls zu einem juristischen Expertenstreit kam es der bei der Frage, ob das Verkehrsministerium gegen Haushaltsrecht verstoßen hat. Ulrich Hufeld von der Helmut-Schmidt-Universität und der Universität der Bundeswehr Hamburg konstatierte dabei eine "Ermächtigungslücke im Haushalt von mehr als einer Milliarde Euro". Hufeld bezog sich auf die Verpflichtungsermächtigung in Höhe von gut zwei Milliarden Euro, die der Bundestag für das Haushaltsjahr 2018 beschlossen hatte. Das reichte zwar, um das finanziell reduzierte Angebot des Betreiberkonsortiums aus CTS Eventim und Kapsch TrafficCom abzudecken. Hufeld zufolge waren durch die Verpflichtungsermächtigung aber weder die variablen Vergütungen der Betreiber noch die Garantiezusagen im Fall der - dann tatsächlich eingetretenen - Kündigung des Vertrags aus ordnungspolitischen Gründen gedeckt.

Gröpl: Verpflichtungsermächtigung war ausreichend

Diese Interpretation stellte Christoph Gröpl von der Universität des Saarlandes in Zweifel. Er ließ durchblicken, dass er die Verpflichtungsermächtigung für ausreichend hält. Zudem sei keineswegs ausgemacht, dass das Konsortium Anspruch auf den entgangenen Gewinn für die gesamte Vertragslaufzeit habe.

Streit über Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens

Auch in Bezug auf das Vergaberecht prallten unterschiedliche Einschätzungen aufeinander. Nunez Müller von der Kanzlei Chatham äußerte erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens. Insbesondere sei es unzulässig gewesen, nach Abgabe des finalen Angebots durch das Bieterkonsortium noch einmal über dieses Angebot zu verhandeln. Die gegenteilige Ansicht vertrat Jan Endler von der Kanzlei Linklaters: Da nur ein einziges finales Angebot abgegeben worden sei und die Mindestanforderungen des Beschaffungsgegenstands nicht verändert worden seien, sei es nicht erforderlich gewesen, auch diejenigen Bieter wieder in die Verhandlungen einzubeziehen, die sich zuvor zurückgezogen hatten.

Ministerium prüft mehr Transparenz

Eingangs der Sitzung berichtete der Ausschussvorsitzende von einem Treffen der Obleute mit dem Bundesverkehrsministerium. Demnach wird dieses in einem "dynamischen Prozess" prüfen, ob unlängst vom Ministerium als vertraulich eingeschätzte Unterlagen zur Pkw-Maut wieder herabgestuft werden können. "Wir sind alle für maximale Transparenz", erklärte der Ausschussvorsitzende.

Redaktion beck-aktuell, 17. Januar 2020.