OVG Schleswig: Corona-Pandemie stellt Gerichte bei Kontrolle öffentlichen Handelns vor Herausforderungen

Die verschiedenen Zweige der Gerichtbarkeit in Schleswig-Holstein wappnen sich für die neuen Herausforderungen, die mit der Corona-Pandemie einhergehen. Gerade auch in Krisenzeiten müsse die gerichtliche Kontrolle öffentlichen Handelns gewährleistet sein, heißt es in einer Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig vom 02.04.2020. Die anstehenden Aufgaben fielen in Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit dabei sehr unterschiedlich aus.

Steuerliche Erleichterungen im Fokus des Finanzgerichts

Die Gerichte sähen sich angesichts der Corona-Pandemie vor enorme Herausforderungen gestellt und müssten dabei neuartige Rechtsfragen ganz unterschiedlicher Natur klären. Für das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht rückten die steuerlichen Erleichterungen zur Abmilderung der Auswirkungen der Corona-Krise in den Blickpunkt: Durch die Corona-Krise unmittelbar und erheblich betroffene Steuerbürger könnten Anträge auf Stundung bereits fälliger oder bis zum Jahresende fällig werdender Steuerbeträge stellen und festgesetzte Steuervorauszahlungen herabsetzen lassen. Außerdem sollten die Finanzbehörden bei in diesem Sinne betroffenen Steuerpflichtigen bis zum Jahresende davon absehen, festgesetzte Steuern zwangsweise beizutreiben. Diese Maßnahmen gölten sowohl für Bundessteuern wie die Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer, aber auch für Landessteuern wie etwa die Gewerbesteuer. Es handele sich dabei um verwaltungsinterne Billigkeitsmaßnahmen. Lehnten die Behörden entsprechende Anträge ab, könnten Bürger die Entscheidungen durch das Finanzgericht (oder im Falle der Gewerbesteuer durch die Verwaltungsgerichte) überprüfen lassen.

Erleichterungen durch Sozialschutz-Paket bringen auch neue sozialrechtliche Streitigkeiten

Die Sozialgerichte seien etwa zuständig für die Überprüfung von Ansprüchen auf Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, Krankengeld, Kinderzuschlag und existenzsichernde Leistungen. Das Bundesarbeitsministerium gehe davon aus, dass aufgrund der Corona-Krise bundesweit etwa 1,3 Millionen zusätzliche Personen einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben könnten. Die Gesetzesänderungen durch das Sozialschutz-Paket veränderten das bisher geltende Sozialrecht erheblich und erleichterten für die kommenden Monate den Zugang zu diesen Leistungen. Streitfälle seien dennoch in zahlreichen Konstellationen denkbar. Wegen der besonderen Dringlichkeit würden solche Fälle vor den Sozialgerichten in der Regel zunächst in gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Mehr Abrechnungsstreitigkeiten zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern möglich

Mittelfristig könnte es zu einer Zunahme von Abrechnungsstreitigkeiten zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern kommen, heißt es in der Mitteilung weiter. Zugleich betont die Präsidentin des Landessozialgerichts Christine Fuchsloch aber auch: "Derzeit haben alle Akteure im Gesundheitswesen ihre Kräfte gebündelt, um gemeinsam die Corona-Pandemie so effektiv wie möglich zu bekämpfen." So würden die Kosten für von Ärzt/innen veranlasste Corona-Testungen großzügig von den Krankenkassen übernommen. Außerdem werde etwa für die ambulante medizinische Versorgung von Coronavirus-Patienten zusätzliches Geld bereitgestellt, das seit dem 01.02.2020 in voller Höhe außerhalb der ärztlichen Budgets ausgezahlt werde.

Behördliche Beschränkungen im Fokus der Verwaltungsgerichte

Im Fokus der Verwaltungsgerichtsbarkeit stünden die behördlichen Eingriffe zur Bekämpfung der Pandemie. Der im Infektionsschutzgesetz (IfSG) vorgesehene Katalog von Gefahrenabwehrmaßnahmen sei weit gefächert von Ermittlungen, Vorladungen und Untersuchungen durch das Gesundheitsamt sowie Schutzmaßnahmen in Form von Beobachtung und Absonderung (Quarantäne) von Kranken, Krankheits- oder Ansteckungsverdächtigen bis zu Kontakt- und Ansammlungsverboten, beruflichen Tätigkeitsverboten, Verbot von Veranstaltungen sowie der Schließung öffentlicher Einrichtungen sowie privater Betriebe und Beherbergungsstätten.

Zahlreiche Eilanträge etwa zur Nutzung von Zweitwohnungen

Zahlreiche Betroffene hätten sich bereits an das Schleswiger Verwaltungsgericht gewandt. Vielfach im Streit sei die Nutzung von in Schleswig-Holstein gelegenen Zweitwohnungen aus touristischem Anlass oder zu Freizeitzwecken. Gegenstand weiterer Verfahren seien die Anreise zwecks Ausübung handwerklicher Tätigkeiten (etwa am eigenem Boot), der Weiterbetrieb mobiler Verkaufsstände vor Supermärkten oder einer Fußpflege-Praxis und die Frage des Umgangs mit nahestehenden Personen, die nicht demselben Haushalt angehörten, seien Gegenstand weiterer Verfahren. Mit Stand vom 01.04.2020 seien bei der 1. Kammer des VG 27 Eilanträge eingegangen. Über 17 dieser Anträge sei bislang entschieden worden. Sie seien durchgehend ohne Erfolg geblieben. Dem OVG lägen erste Beschwerden vor. Da das VG wegen der bevorstehenden Ostertage mit zahlreichen weiteren Anträgen rechne, werde dessen Präsidium die zuständige 1. Kammer deshalb kurzfristig personell verstärken.

Redaktion beck-aktuell, 6. April 2020.